Das verstummen der Kraehe
gerade verzapfst? Ich weiß nicht, was dieses Hormonyoga auslöst, aber vielleicht solltest du es besser lassen. Und wage es ja nicht, deine Behauptung außerhalb dieser vier Wände noch einmal zu wiederholen. Sonst bekommst du Post von …«
Rena Velte legte ihrem Mann beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
»Von deinem Anwalt?«, fragte Nadja Lischka mit einem abfälligen Lachen. »Was, glaubst du, kann er gegen Fakten ausrichten?«
Beate Angermeier stampfte mit ihren Gehhilfen auf den Boden. »So, jetzt beruhigen wir uns alle mal wieder und lassen endlich Frau Mahlo zu Wort kommen. Sie hat sicher noch einiges auf ihrer Liste, das es abzuarbeiten gilt.«
Augenblicklich war es still, und alle sahen Henrike und mich an, als würde ihnen erst jetzt bewusst, dass wir auch noch da waren.
»Danke für die Überleitung, Frau Doktor Angermeier. Mir bleibt nur, Sie für heute zu verabschieden. Ich hatte diesen einen Punkt auf der Tagesordnung, und den haben wir erschöpfend behandelt.«
Nun wurde auch sie aufbrausend. »Dafür holen Sie uns aus dem Institut? Haben Sie schon einmal etwas von Verdienstausfall gehört? Die Sache mit den Alibis hätte sich genauso gut am Telefon klären lassen.« Zum ersten Mal erlebte ich Beate Angermeier wütend.
»Über Alibis spricht man besser nicht am Telefon.«
»Und warum nicht? Glauben Sie, Sie könnten an meinem Gesicht ablesen, ob ich lüge? Ist hier irgendwo eine Kamera installiert, damit Sie später in Zeitlupe unsere Mimik analysieren können? So wird es doch im Fernsehen immer gemacht.«
»Nur weil es im Fernsehen kommt, muss es noch lange kein Unfug sein«, sagte Henrike mit leisem Spott.
»Ich habe Sie hierhergebeten, weil es sehr viel effektiver ist, als Ihnen allen lange hinterherzutelefonieren. Außerdem ist an der Sache mit der Mimik etwas dran.«
Tilman Velte machte eine ausladende Geste, als würde er seine Nase verlängern. »Pinocchio-Effekt? Haben Sie darauf gehofft?« Er lachte in die Runde und lächelte mich dann an, als wolle er nach der hitzigen Diskussion Frieden schließen. »Na los, Frau Mahlo, geben Sie sich einen Ruck. Wir sitzen hier alle im selben Boot, und das bestimmt noch für eine Weile. Wenn wir unser Ziel erreichen wollen, müssen wir alle an einem Strang ziehen.«
Ich fragte mich, in welchem Zustand unser Boot sein Ziel erreichen würde. Und ob noch alle an Bord sein würden, wenn das Ufer in Sicht kam.
»Wie geht es jetzt überhaupt weiter?«, unterbrach Christoph Angermeier meine Gedanken.
Ich gab Henrike das zuvor verabredete Zeichen und blätterte in meinen Unterlagen, um Zeit zu gewinnen. Henrike stand auf und verließ den Raum. Kurz darauf öffnete sich die Tür, und sie kam mit Rosa an der Leine herein. Ohne weitere Erklärung umrundete Henrike mit der Hündin zweimal den Tisch und ließ sie dabei keinen Moment aus den Augen. Rosa lief wedelnd von einem zum nächsten, schnüffelte und ließ sich über den Kopf streicheln. Henrike zog ein Leckerchen aus der Hosentasche, gab es Rosa und verließ gemeinsam mit ihr den Raum.
»Was war denn das?«, durchbrach Rena Velte amüsiert das Schweigen. Sie sah immer noch zur Tür.
»Das war Rosa«, sagte ich. »Sie hat eine sehr gute Nase.«
Beate Angermeier schien ebenfalls belustigt. »Haben Sie gehofft, Konstantins Leichengeruch würde sich noch an einem von uns feststellen lassen? Aufgespürt von dieser vierbeinigen Geheimwaffe?«
In Nadja Lischkas Blick stand eine Mischung aus Wut und Entsetzen. Beate Angermeier hatte es ebenfalls wahrgenommen. »Entschuldige, Nadja, das war geschmacklos von mir. Vergiss es gleich wieder, bitte.«
»Was haben Sie damit bezweckt, Frau Mahlo?«, fragte Rena Velte nun ernst.
»Rosa war am Montagabend dabei, als ich angegriffen wurde. Sie ist nicht ganz ungeschoren davongekommen.«
»Das heißt, sie hat uns gerade allen die Absolution erteilt.«
»Das würde ich nicht sagen. Es könnte auch jemand beauftragt worden sein, mich zu überfallen.«
Rena Velte runzelte die Stirn und fingerte an ihrem geflochtenen Zopf herum. »Wissen Sie, Frau Mahlo, was wirklich schlimm ist? Theresa ist es mit ihrem Testament auf perfide Weise gelungen, uns alle zu kriminalisieren. Nadja redet bereits von Leichen in unseren Kellern. Ich habe einen riesigen Fehler gemacht, als ich Theresa erzählte, was ich an jenem Abend gehört zu haben glaubte. Ich hatte so lange geschwiegen, und dann habe ich mich von ihr erweichen lassen. Aber wie hätte ich denn ahnen sollen, dass so
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