Das verwundete Land - Covenant 04
aufzubringen, hätte sie Warum tun Sie mir so etwas an? ausgerufen. Aber sie fühlte sich durch die üblen Träume und ihre Zweifel ausgelaugt. »Vielen Dank«, nuschelte sie und drückte die Tür zu.
Für ein Weilchen rührte sie sich nicht; sie lehnte sich an die Tür, als müsse sie sie mit dem eigenen Leib verbarrikadieren, und am liebsten hätte sie geschrien. Aber Dr. Berenford hätte sich nicht solchen Umständen unterzogen, um sie zu benachrichtigen, würde es sich nicht tatsächlich um Dringendes handeln. Sie mußte hin.
Während sie die Kleidung anzog, in der sie schon am Vortag herumgelaufen war, und mit einem Kamm durch ihr Haar fuhr, erkannte sie, daß sie eine Entscheidung gefällt hatte. Im Laufe der vergangenen Nacht hatte sie irgendwie mit Covenant ein Bündnis geschlossen. Sie verstand nicht, was mit Joan los war, und wußte nicht, was sich für sie tun ließ; aber sie fühlte sich zu Covenant getrieben. Von derselben Kompromißlosigkeit, die sie so aufgebracht hatte, war sie auch tief berührt worden; sie fühlte sich durch die sonderbare Anziehungskraft seines Grimms angesprochen, seiner Außergewöhnlichkeit, seiner auf paradoxe Weise wilden und gleichzeitig mitleidigen Entschlossenheit, seiner Ex-Frau die Treue zu halten.
Rasch trank Linden ein Glas Orangensaft, um sich den Kopf zu klären, dann stieg sie die Treppe hinunter zu ihrem Auto.
Schon jetzt war der Tag unnatürlich warm; der Sonnenschein stach schmerzlich in Lindens Augen. Ihr war seltsam überhöht und leichtsinnig gleichgültig zumute, so als durchlebe sie nur eine Halluzination, während sie in den staubigen Feldweg abbog und sich Covenants Haus näherte. Zuerst traute sie ihren Augen nicht so recht, als sie die dunkle Verfärbung an der Außenwand erspähte.
Sie parkte ihren Wagen neben Dr. Berenfords Auto und stieg aus, um genauer hinzuschauen.
In der Nähe der Haustür beschmutzte ein großes, grobes Dreieck die Mauer; es war von schwärzlichem Rot, hatte die Farbe geronnenen Blutes. Die Vehemenz, mit der die Flüssigkeit verschmiert worden war, überzeugte Linden umgehend davon, daß es sich um Blut handeln mußte. Sie begann zu laufen.
Als sie ins Wohnzimmer stürmte, sah sie, daß man auch dort gewütet und es beschmutzt hatte. Die Möbel waren unbeschädigt; aber alles war überschüttet und getränkt mit Blut. Es mußte eimerweise Blut ins Zimmer gespritzt worden sein. Süßlicher Geruch machte die Luft stickig.
Am Fußboden lag neben dem Kaffeetisch eine Flinte.
Lindens Magen bäumte sich auf. Sie schlug sich die Hände auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Soviel Blut konnte unmöglich aus einem einzigen, normalen menschlichen Körper stammen. Irgendeine Greueltat ...?
Da sah sie Dr. Berenford. Er saß in der Küche am Tisch, zwischen seinen Händen eine Tasse. Er blickte zu Linden herüber. Sie eilte zu ihm. »Herrje, was ist denn ...?« hob sie mit ihren Fragen an.
Er unterbrach sie mit einer Geste der Warnung. »Leise!« sagte er unterdrückt. »Er schläft.«
Einen Moment lang starrte sie dem Chefarzt ins Gesicht. Aber sie war Notfälle gewohnt; ihre übliche Selbstbeherrschung kam rasch wieder zum Tragen. Indem sie vorging, als müsse sie Berenford beweisen, daß sie Ruhe zu bewahren verstand, nahm sie sich eine Tasse, goß sich aus der Kanne, die auf einer Warmhalteplatte stand, dann setzte sie sich auf den zweiten Stuhl an dem alten, mit lackierter Oberfläche versehenen Tisch. »Was ist los gewesen?« erkundigte sie sich in nüchternem Tonfall.
Berenford trank von seinem Kaffee. Sämtlicher Humor war aus ihm gewichen, und seine Hände zitterten. »Ich vermute, er hat doch die ganze Zeit recht gehabt.« Er mied ihren Blick. »Sie ist fort.«
»Fort?« Für eine Sekunde schwand Lindens Beherrschtheit. Fort? Ihr Herz wummerte so wuchtig, daß ihr nahezu der Atem wegblieb. »Ist jemand nach ihr auf der Suche?«
»Die Polizei«, antwortete Berenford. »Mrs. Roman ... Habe ich sie schon erwähnt? Sie ist seine Anwältin. Nachdem ich hier eingetroffen bin, ist sie in den Ort zurückgefahren ... ist jetzt etwa zwei Stunden her. Um dem Sheriff ein bißchen Zunder zu geben. Inzwischen ist wahrscheinlich jeder körperlich einsatzfähige Polizist des Landkreises für die Suchaktion eingeteilt. Der einzige Grund, warum Sie hier keine Fahrzeuge sehen, ist der, daß unser Sheriff – Gott segne sein gütiges Herzchen – seine Leute nicht so nah am Wohnsitz eines Leprakranken parken lassen wollte.«
»Na
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