Das verwunschene Haus
Caroll neuerdings spricht, dieser abwesende Blick, wenn sie ihn anschaut, als ob sie ihn nicht kenne...
Caroll ist nicht mehr dieselbe, denn das Unheil ist in ihr Haus eingekehrt. Caroll ist von einer Fee besessen!
Ende März beschließt Michael, mit seinem Schwiegervater zu sprechen, dem alten Timothy. Er lädt ihn zusammen mit Carolls Brüdern Jack und Patrick zu sich nach Hause ein.
Als sie alle gemeinsam um das Feuer im Wohnraum sitzen, während Caroll nebenan schläft, erzählt Michael den anderen, was er über die Angelegenheit denkt. Er spricht mit gesenkter Stimme, wie immer, wenn man »das kleine Volk« in seinen Worten heraufbeschwört.
»Ich bin wegen Caroll sehr beunruhigt. Ich fürchte, sie hat... das Böse in sich.«
Der alte Timothy zieht an seiner Pfeife. Nachdem er seine Tochter soeben gesehen hat, ist ihm derselbe Gedanke gekommen.
Ohne seinen Schwiegersohn anzublicken, erwidert er: »Das ist möglich...«
Michael O’Leary wendet sich an seine beiden Schwager. Diese nicken zustimmend. Auch sie sind der Meinung ihres Vaters: Eine Fee hat von ihrer Schwester Besitz ergriffen. Michael spricht mit tonloser Stimme: »Seid ihr also einverstanden? Wir müssen jetzt den Feendoktor rufen.«
Erneut geben die drei Männer mit einer Kopfbewegung ihre Einwilligung. Nach einem Moment bedrückenden Schweigens fragt der Vater zwischen zwei Zügen aus seiner Pfeife: »Und wenn es nicht funktioniert?«
Wieder erfolgt ein Schweigen, bis Michael in düsterem Tonfall antwortet: »Wenn es nicht funktioniert... dann wird man sehen.«
Am 4. April findet sich Josuah Dunn bei Michael O’Leary ein. Mit seinen staubigen weißen Haaren und der schmutzigen, abgerissenen Kleidung sieht er aus wie ein Landstreicher, doch Michael und die drei anderen Männer empfangen ihn mit ängstlichem Respekt. Josuah Dunn ist der Feendoktor. Er bewohnt eine Hütte inmitten der Heidelandschaft, dort, wo sich kein Sterblicher nach Einbruch der Dunkelheit hinwagt. Er jedoch lebt in Gesellschaft des »kleinen Volkes«...
Ohne ein Wort zu sagen, geht der Feendoktor in Carolls Kammer. Sie liegt schlafend in ihrem Bett. Sie ist sehr blaß, und ihre Haare wirken blonder denn je. Sie scheint jegliche Farbe verloren zu haben.
Ohne sie zu wecken, untersucht Josuah Dunn die junge Frau. Dann sagt er mit leiser Stimme zu den Männern gewandt, die in respektvoller Entfernung hinter ihm warten: »Es ist tatsächlich, wie ihr vermutet habt...«
Er kehrt in den Wohnraum zurück und tritt ans Feuer, wo er einige Kräuter aus der Tasche zieht und in einen mit Wasser gefüllten Topf wirft. Ein beißender Geruch breitet sich im Zimmer aus. Eine halbe Stunde kocht das Gebräu über der Glut. Niemand spricht ein Wort. Schließlich holt Josuah Dunn eine Schale, gießt die kochende Flüssigkeit hinein und begibt sich, gefolgt von den anderen, in Carolls Kammer.
Die junge Frau erwacht und betrachtet mit erstaunten Augen die Versammlung in ihrem Zimmer. Der Feendoktor reicht ihr die Schale.
»Das mußt du trinken...«
Mechanisch nimmt sie das Gefäß entgegen, doch nachdem sie es an die Lippen geführt hat, stößt sie es angewidert zurück.
»Das riecht so unangenehm! Nein, ich will nicht.«
Josuah Dunn wirft Michael einen verzweifelten Blick zu. Die Sache sieht schlecht aus!
Er beugt sich zu Caroll hinab: »Du mußt es trinken. Es wird dich gesund machen.«
Caroll schaut ihren Ehemann an, dann ihren Vater und ihre beiden Brüder, die sie mit den Augen ermutigen. Sie zögert noch einen Moment, bis sie schließlich das Getränk hinunterstürzt. Unwillkürlich verzieht sie jedoch das Gesicht: »Das schmeckt scheußlich!«
Erneut blickt der Feendoktor in Richtung des Ehemannes. Die Lage scheint noch schlimmer zu sein!
Mit fester Stimme richtet er das Wort an die Kranke: »Bist du Caroll O’Leary. die Frau von Michael O’Leary, dem Böttcher?«
Caroll sieht die Männer an, ohne zu verstehen, worum es geht.
»Aber ja, natürlich!«
»Kannst du das beschwören?«
Caroll ist jetzt noch blasser als zuvor. Sie läßt sich in ihr Kissen zurückfallen.
»Aber warum sollte ich? Ich fühle mich nicht wohl. Laßt mich in Frieden. Mir ist übel.«
Auf ein Zeichen von Josuah Dunn ziehen sich die Männer zurück. Nebenan im Wohnraum verkündet ihnen der Feendoktor sein Verdikt.
»Es ist kein Zweifel mehr möglich. Zuerst hat sie den Kräutertrank verweigert, dann hat sie nicht schwören wollen. Feen leisten niemals einen Schwur.«
Er wendet sich an
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