Das verwunschene Haus
Derjenige, der das getan hat, ist ein übler Dreckskerl, das können Sie mir glauben!«
»Und Sie selbst... haben Sie nicht vor neun Jahren ebenfalls versucht, eine Prostituierte zu erwürgen?«
Der Verdächtige scheint durch die Erinnerung an seinen Mordversuch keineswegs in Verlegenheit zu geraten.
»Die Frau damals, das war etwas anderes.«
»Und wie waren Ihre Beziehungen zu dem Opfer hier?«
Auch jetzt wirkt Brauer keineswegs nervös.
»Sie wissen doch, was ihr Metier war. Also...!«
Wieso beendet Kommissar Schulz das Verhör nicht? Sein Assistent neben ihm sagt zwar nichts, kann jedoch seine Ungeduld kaum verbergen. Alles spricht dafür, daß Hans Brauer der Schuldige ist. Wozu soll es gut sein, noch länger nachzuforschen? Man muß wirklich ein pedantischer Tüftler sein wie der Kommissar, um sich weiterhin mit dem Verdächtigen herumzuschlagen.
»Brauer, Sie würden besser alles gestehen. Wissen Sie eigentlich, daß man unter den Fingernägeln des Opfers Wollfasern gefunden hat? Nun, die Wolle ist mit der Ihres Pullovers identisch!«
Wenn der Kommissar geglaubt hatte, den Beschuldigten damit in die Enge treiben zu können, so war dies ein Irrtum. Der andere läßt sich nach wie vor nicht aus der Ruhe bringen.
»Sie brauchen nur in irgendeinen Supermarkt zu gehen und werden dort Dutzende von Pullovern wie meinen finden.« Doch Kommissar Schulz hat sein bestes Argument bislang noch zurückgehalten.
»An Ihrer Stelle würde ich sofort ein Geständnis ablegen, Brauer! Ein Zeuge hat bemerkt, daß der Täter am rechten Daumen eine Narbe hat. Und Sie haben eine Narbe am rechten Daumen!«
Brauer versucht nicht einmal, Einwände zu machen. »Das will gar nichts heißen. Die Verletzung habe ich mir zugezogen, kurz bevor man mich in Hamburg verhaftet hat.«
Der Kommissar setzt das Verhör noch eine Weile fort, doch ohne Ergebnis. Schließlich läßt er den Verdächtigen hinausführen. Nachdem er verschwunden ist, macht sein Assistent aus seiner Verwunderung kein Hehl mehr.
»Aber sagen Sie, Kommissar, worauf warten Sie denn noch? Er gibt uns ein falsches Alibi, er kannte das Opfer, er hat bereits unter ähnlichen Umständen versucht, eine Prostituierte umzubringen, man hat Wollfasern von seinem Pullover unter den Nägeln der Toten gefunden, er hat eine Narbe am rechten Daumen, und zu allem Überfluß macht er sich auch noch über uns lustig!«
Schulz lächelt dünn.
»Natürlich haben wir jede Menge Anhaltspunkte, die gegen diesen Mann sprechen, aber Sie kennen mich: Man kann nicht vorsichtig genug sein, und etwas stört mich an dem Fall, nämlich, daß er nicht gestanden hat.«
Wenn es sich nicht um seinen Vorgesetzten handelte, würde der Inspektor jetzt grob werden.
»Und was heißt das?« bricht es aus ihm heraus. »Das ist doch ganz normal! Erwarten Sie wirklich, daß er ein Verbrechen zugibt, das ihn für den Rest seiner Tage ins Loch schickt? Wir haben sechzehn Zeugen. Es genügt, sie Brauer gegenüberzustellen, und ich wette mit Ihnen, daß sie ihn alle wiedererkennen werden.«
Wie es seine Gewohnheit ist, hört der Kommissar seinem Mitarbeiter aufmerksam und geduldig zu. Schließlich erklärt er mit fester Stimme: »Sie haben recht. Wir werden ihn mit den Zeugen konfrontieren. Aber wir machen das auf meine Art...«
Er läßt sich Zeit, bevor er fortfährt: »Gehen Sie ins Archiv, und bringen Sie mir Photos von vierhundert Straftätern. Lassen Sie dann die Zeugen zu mir kommen.«
Sein Assistent stößt einen fassungslosen Schrei aus. »Vierhundert Photos! Das ist enorm viel! Wie sollen ihn denn die Zeugen aus vierhundert Photos erkennen? Warum machen wir es nicht wie sonst und stellen Brauer in einen Raum mit zehn Beamten?«
Doch Kommissar Schulz duldet keinen Widerspruch.
»Zehn sind nicht genug. Ich habe die Dinge immer gründlich betrieben. Wenn die Zeugen sein Photo aus vierhundert anderen auswählen, kann ich sicher sein, daß er es tatsächlich ist. Nun gehen Sie aber, Sie sollten längst im Archiv sein!« Einige Stunden später bringt der Assistent murrend einen riesigen Stapel Photos, die einen repräsentativen Querschnitt dessen darstellen, was Deutschland in den letzten Jahren an Verbrechern hervorgebracht hat. Als er sie auf den Schreibtisch seines Vorgesetzten legt, lächelt dieser zufrieden.
»Sehr gut, und jetzt kümmern Sie sich um die Zeugen...«
Am anderen Morgen finden sich alle sechzehn draußen im Flur ein und warten, bis sie an die Reihe kommen.
Der erste, der
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