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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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warteten.
    um genau fünfhundert Uhr kam Berater Mishima die breite Treppe vom Mezzanin herunter und entbot ihnen feierlich einen guten Morgen.
    »Bitte, begleiten Sie mich.«
    Sie nahmen ihre Sachen und folgten ihm hintereinander aus dem Salon, über die Terrasse und in den durchweichten Garten, wo die Pflastersteine immer noch unter Wasser standen und die Blüten der Rosenstöcke vom Sturm zerfetzt und geknickt niederhingen.
    Die Balkons des Hauptgästehauses gingen auf den Garten hinaus. Von oben beobachteten sie undeutliche Gesichter hinter Glastüren genau wie sie selbst im Morgengrauen andere Prozessionen von acht Zeitreisenden, angeführt von einem Berater, beobachtet hatten. Sie hatten Zigeuner und Kosaken und Wüstennomaden und Voortrekker gesehen, Polynesier mit Federmänteln und Krieger mit Armbrüsten, Schwertern und Assegais; es waren bayrische Wanderer in Knielederhosen, bärtige Propheten in weißen Roben, orientalische Mönche mit kahlgeschorenen Schädeln, amerikanische Pionierfrauen mit Sonnenhüten, Cowboys, rührend grotesk kostümierte Fetischisten und vernünftig wirkende Leute in Jeans oder Tropenausrüstung dabei gewesen. Die Reisenden hatten sich bei den frühmorgendlichen Paraden durch den Garten zu einem alten Häuschen begeben, beschattet von Maulbeerbäumen, das hölzerne Fachwerk und die weißen Zwischenfelder verhüllt von Kletterpflanzen. Madame Guderians Spitzengardinen hingen noch an den Fenstern, und Ihre rosa und weißen Geranien blühten in irdenen Töpfen neben der großen Eingangstür. Die acht Gäste und der Berater pflegten das Häuschen zu betreten, und dann schloß sich die Tür hinter ihnen. Nachdem eine halbe Stunde vergangen war, trat der Berater allein wieder heraus.
    Bryan Grenfell stand hinter Berater Mishima, als dieser das Guderian-Häuschen mit einem altmodischen Messingschlüssel öffnete. Ein großer ingwerfarbener Kater saß auf einem trockenen Fleck unter den schützenden Büschen und beobachtete die Gruppe mit einem hämischen goldenen Auge. Grenfell nickte ihm beim Eintreten zu. Du hast viele diesen Weg gehen sehen, nicht wahr, Monsieur le Chat? und wieviele von ihnen sind sich bisher so ausgelaugt und töricht und müde vorgekommen wie ich und waren doch zu stur, um kehrtzumachen? Hier gehe ich in meinem praktischen Tropenanzug mit einem Brotbeutel voll von einfachen Gebrauchsgegenständen und proteinreicher Nahrung, bewaffnet mit einem Bergstock und einem kleinen Wurfmesser, das an meinem linken unterarm unter dem Ärmel verborgen ist, und Mercys liebem Bild und Dossier in meiner Brusttasche. Hier gehe ich in den tiefen Keller ...
    Stein Oleson mußte den Kopf einziehen, als er die Tür durchschritt, und vorsichtig durch den Flur gehen, um nicht Madames hohe Standuhr mit ihrem schaukelnden Messingpendel mitzunehmen oder irgendein zerbrechliches Bibelot von seinem Platz an der Wand zu fegen oder sich mit den gebogenen Hörnern seines Wikingerhelms nicht in dem kleinen Kristallkronleuchter zu verfangen. Stein fand es immer schwieriger, ruhig zu sein. Irgend etwas in ihm dehnte sich aus und verlangte zu schreien, zu brüllen, ein lautes Gelächter auszustoßen, das alle übrigen der Gruppe vor ihm zurückweichen lassen würde wie vor der sich plötzlich öffnenden Tür eines Schmelzofens. Er spürte, daß sein Penis unter dem Wolfsfell-Kilt zum Leben erwachte und sich erhob, es seine Füße juckte, zu springen und zu trampeln, seine Armmuskeln sich spannten, um die Kampfaxt zu schwingen oder den Speer mit der Vitredur-Spitze, den er seiner Waffensammlung hinzugefügt hatte, zu werfen. Bald! Bald! Der Drang in seinem Inneren würde freikommen, das Feuer in seinem Blut ihn zu Heldentaten führen, und die Freude würde so riesig sein, daß er verdammt nahe an den Rand des Sterbens geriet, wenn er sie hinunterschluckte ...
    Richard Voorhees folgte Stein vorsichtig in den Keller. Seine schweren, umgeschlagenen Schifferstiefel waren ungeeignet für die abgetretenen Stufen. Er hatte den Verdacht, daß er zu den bequemeren Turnschuhen in seinem Rucksack werde überwechseln müssen, sobald sie das Portal passiert und auf der anderen Seite die ersten Erkundungen durchgeführt hatten. Zuerst die praktischen Erfordernisse, dann das Rollenspiel! Das Geheimnis des Erfolges, sagte er zu sich selbst, würde in einem schnellen Erfassen der örtlichen Machtstruktur, einem versteckten Appell an die Habenichtse und dem Aufbau einer angemessenen Basis liegen. Sobald er die

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