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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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janz
intaressante Dinger rausjekomm’. Det Skalpell...«
    Er hielt inne, denn die Tür öffnete
sich. Herein kam ein alter Mann mit einem Gehgips. Er trug eine Lodenjoppe und
zerknautschte seine Baskenmütze in der Hand.
    »Entschuldigen S’«, sagte er mit
Kautabakstimme. »I soll zur Kontrolln — is des do?«
    »Des is do«, sagte Evelyn. »Kommen
Sie.«
    Sie lief zu ihm und bugsierte ihn zum
Tisch. Wir konnten schlecht weiterreden. Ruschke wollte gehen. Ich hielt ihn am
Ärmel fest.
    »Hätten Sie Lust, heute abend mal meine
Bude zu besichtigen? Dann könnten wir fortfahren, wo wir stehengeblieben
.sind.«
    Ruschke rang mit sich.
    »Bier ist im Hause«, sagte ich, um
seinen Entschluß zu fördern.
    »Det hör ick jerne. Abjemacht. Rufen
Sie mir uff Station zwei an, wenn Se mit den Kram hier fertich sind.«
    Dann verließ er uns.
    Wir kamen am Vormittag nicht mehr dazu,
über den Fall Stickhahn zu sprechen.
     
    *
     
    Als ich am Mittag das Kasino betrat,
wurde ich angestarrt wie ein siamesischer Zwilling nach erfolgreicher Trennung.
Von unserem Haufen war nur Süßmilch da. Er sagte nichts, warf nur ab und zu
einen seiner schiefen Blicke auf mich. In seinen Augen war ich jetzt eine noch
fragwürdigere Figur als vorher. Es hatte mit mir ja so kommen müssen.
    Die Gespräche waren leiser als
gewöhnlich, aber ich hörte, daß sie sich nur um den gestrigen Tag drehten.
    Muß erst einer umgebracht werden,
dachte ich, bevor sie mal von was anderem als von ihren Kunden reden.
    Die chirurgische Ecke war besonders
aufgeregt und verstummte erst, als Steimle sich dazusetzte.
    Er sah blaß und abgespannt aus. Die
Geschichte mußte ihn ziemlich mitgenommen haben, und die ganze Arbeit durfte er
nun allein machen. Er war kommissarischer Chef. Ich hatte den Eindruck, daß das
manchem seiner treuen Mitarbeiter wenig angenehm war. Steimle war nicht der
Mann, Streit zu vermeiden. Und Stickhahns ausgleichende Autorität fiel weg. Es
würde manchen niedlichen Krach geben.
    Lund kam zum Essen, und wie ich
erwartet hatte, mußte ich ihm den ganzen Salat noch mal erzählen. Er schüttelte
ununterbrochen den Kopf und murmelte: »Fürchterlich! Entsetzlich! Unglaublich!
Nicht möglich!« Ab und zu wechselte er die Reihenfolge.
    Trotz seiner Beileidsbezeigungen hatte
ich das Gefühl, daß er darüber nachdachte, wie er auf Kosten der Chirurgie
unser Institut erweitern könnte, nachdem Stickhahn tot war.
    Um halb sechs verließen Ruschke und ich
das Haus, und ich war froh, als ich draußen war. Frischer Schnee war gefallen.
Er knirschte unter unseren Schuhen und glitzerte in den Lichthöfen der
Laternen.
    Unterwegs kaufte Ruschke an einem Kiosk
das Abendblatt. Die Schlagzeile lief blutig darüber hin.
     
    MORD IM KRANKENHAUS
     
    »Das Wichtigste auf der Welt waren wir
diesmal«, sagte ich.
    »Ach wat«, meinte Ruschke bissig, »‘ne
Leich uff de erste Seite ist imma jut. Hebt die Ufflage um Tausende. Det
Wichtije steht weita hinten.«
    Er steckte die Zeitung ein, und wir
gingen weiter. Unter der Brücke murmelte die Isar, und ein nebliger Dunst stieg
empor. Ruschke sprach nicht mehr, bis wir vor meinem Haus standen. Erst als ich
aufgeschlossen hatte und wir uns auspellten, redete er.
    »Hier wohnen Sie?«
    »Freilich. Wundert Sie das?«
    Er schob die Unterlippe vor und sah
sich erstaunt um.
    »Vornehme Jejend. Ick dachte, et jeht
nach Berch am Laim. Wie sind Sie denn in die niedliche Katakombe jeraten?«
    »Reiner Zufall. Kostete nicht mal
Vermittlungsgebühr.«
    »Da ham’ Se Schwein jehabt«, sagte
Ruschke.
    Ich holte meine Universalbecher und
füllte sie. Ruschke zwinkerte mir zu.
    »Sturmfreia Laden, wat?«
    »War noch niemand zum Stürmen da«,
sagte ich und dachte an Evelyn.
    »Det findet sich.« Er deutete auf meine
Porträts. »Die Jemälde lassen det Beste hoffen.«
    »Alles Ersatz«, sagte ich traurig. »Und
wenn er nachts nicht schlafen kann, dann guckt er sich die Bilder an.«
    Wir gossen die erste Füllung hinunter.
    Ich fragte: »Was steht in Ihrem
Skandalblatt?«
    Ruschke schlurfte hinaus und holte es.
Als er den Bericht vorlas, versuchte er, hochdeutsch zu sprechen. Es klang
saukomisch. Die Sache war hochdramatisch gemacht, brachte aber nichts Neues.
Viel hatte Nogees nicht verraten. Auch mein Name war nicht genannt.
    »Det wird uns ‘n Haufen Kunden kosten«,
sagte Ruschke, als er geendet hatte. »De janze Stadt hat Stickhahn jekannt.
Jute Nacht, Johanna.«
    Eine Weile blieben wir stumm sitzen,
jeder mit seinen

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