Das Vigilante Prinzip (German Edition)
Wagen wie Streichholzschachteln beiseite. Vigilante presste sich dicht an den Boden, hatte die Arme schützend über seinen Kopf gelegt und küsste den Beton, während Flammen über ihn hinweg leckten. Dann spürte er den Druck. Ein Beben pflanzte sich durch den Boden. Gestein, Glas und Metall wurden durch die Gegend geschleudert. Etwas traf Vigilantes Bein. Er ignorierte den kurzen Schmerz und blieb liegen wo er war.
Als die Hitze nachließ, hob er den Kopf.
Der Tunnel hatte sich in ein Inferno verwandelt. Größer konnte Chaos nicht geschrieben werden. Dort, wo sich im südlichen Bereich noch Automassen befunden hatten, gähnte ein Loch. PKWs waren gegen die Wände geschmettert worden. Menschliche Leiber lagen an den Rändern über dem Boden verteilt, manche durch die Flammen bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Über das Knistern von Feuer und den Schreien Verletzter erhob sich ein Tosen, das von den Luftaustauschern herrührte. Die Ventilatoren arbeiteten unter Volllast, um den von der Explosion verursachten Sauerstoffverlust auszugleichen. An der Tunneldecke und den -wänden hatten sich Risse gebildet. Im Moment hielt die Konstruktion, doch noch ein weiterer Raketentreffer konnte die gesamte Tunnelröhre zum Einsturz bringen.
Benommen und von einem Schwindelgefühl erfasst kam Vigilante auf die Beine. Er blickte kurz zurück zu dem Gegner, doch der hatte die Distanz zum Explosionszentrum der Hellfire-Raketen offensichtlich unterschätzt und war nicht in Deckung gegangen. Die Druckwelle hatte ihn mit der Front eines Mercedes Vito förmlich verschmolzen. Sein Kopf hing vornübergebeugt, der Rest des Körpers war vom eingeknautschten Motorblock, der sich um ihn gewickelt hatte, verdeckt.
Soviel zur Strategie , dachte Vigilante.
Er streckte eine Hand aus und hielt sich an der Dachreling des Golf Kombi fest, neben dem er stand. Offenbar war der Wagen zur Seite gedrückt worden und gegen Vigilantes Bein gestoßen. Er spürte einen dumpfen Schmerz, doch er schien nicht ernsthaft verletzt zu sein.
Wo kamen die Raketen her? Was hatten die Gegner vor?
Seine Fragen wurden augenblicklich beantwortet, als das Ventilatortosen von einem tiefen Brummen übertönt wurde. Vigilante humpelte am Heck des Golfs entlang, um zu sehen, was sich weiter hinten tat. Als er um die Ecke blickte, stockte ihm der Atem.
Flankiert von zwei städtischen Räumfahrzeugen bahnte sich ein Bergepanzer der Bundeswehr seinen Weg durch den Stau im Elbtunnel. Fahrzeuge, die nicht von den Auswirkungen der Raketenexplosionen betroffen waren, wurden brutal beiseite geräumt, an die Tunnelwände gedrängt oder einfach von den Ketten des Panzers überrollt.
»Das darf doch nicht wahr sein!« Vigilante wandte sich ab und hetzte den Tunnelrand auf dem Standstreifen entlang. Er musste schneller sein, als der Panzer. Immer wieder blickte er nach links zur Fahrbahnmitte, in der Hoffnung ein geeignetes Gefährt für die Weiterfahrt zu entdecken.
Während er rannte, dachte er über den Angriff nach. Wer zum Teufel war der Gegner? Bei den drei Killern hatte er zunächst auf Radek Nováks Leute getippt, aber die Tschechen würden wohl kaum über Räumpanzer der deutschen Streitkräfte verfügen. Außerdem waren die beiden Raketen definitiv Hellfires gewesen, die üblicherweise von einem Kampfhubschrauber abgefeuert wurden. Bei der Präzision tippte Vigilante auf den Panzerabwehrhubschrauber Tiger, dem deutsch-französischen Pendant zum U.S. Apache.
Wo bin ich da nur wieder reingeraten?
Aus den Augenwinkeln nahm Vigilante im Schein des Feuers ein Funkeln wahr. Die Flammen vom Epizentrum der Explosionen waren beinahe zum Greifen nah. Die Hitze im Bereich des Detonationsherdes war unerträglich. Vigilante riss einen Arm schützend vor das Gesicht und zwängte sich zwischen zwei ineinander verkeilten PKWs hindurch, um auf die linke Fahrspur zu gelangen. Dort lag ein gelb lackiertes Motorrad auf der Seite. Es machte äußerlich einen fahrtüchtigen Eindruck. Vom Fahrer fehlte jede Spur.
Vigilante bückte sich, packte den Lenker und stemmte sich gegen das Gewicht des Bikes. Bei der Maschine handelte es sich um eine BMW S1000RR, ein Spitzenmotorrad, das für den Rennsport konzipiert war. Im engen Tunnel half Vigilante das allerdings wenig weiter. Er würde es nicht ausfahren können.
Mit Anstrengung richtete er die Maschine auf, schwang sich in den Sattel und startete. Der Motor stotterte. Vigilante brauchte drei Anläufe, bis er endlich ansprang und mit einem
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