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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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irritiert. Sie schaute mich an wie ein angewidertes Kätzchen. »Was soll dieses Gespräch?«, fragte sie, öffnete den Benzinkanister und trat ganz dicht an Millers Stuhl heran. »Miller, ich werde dich jetzt mit Benzin übergießen«, sagte sie und machte das dann auch.
    Erst hielt sie den Kanister sehr hoch, dann tiefer unterhalb des Tischs und gluckernd schüttete sie Miller das Benzin über Hose und Schuhe. Auf seine Wurzeln. Der Geruch breitete sich schlagartig aus; seltsamerweise bekam ich so besser Luft. Miller hatte noch immer die Hände vorm Gesicht.
    Lea stellte den Kanister auf den Boden, drehte den Deckel wieder zu und ging dann von Miller weg.
    Er schaute hoch.
    »Wo willst du hin«, fragte er. »Ich dachte, du wolltest mich anzünden.«
    »Ich wollte genau das Gleiche mit dir machen, was du mit dem Olivenbaum gemacht hast«, sagte Lea.
    »Was soll das heißen, verdammt noch mal?«, fragte Miller.
    »Wenn du ein Olivenbaum wärst, würdest du genau jetzt anfangen zu sterben, aber du bist kein Olivenbaum, und darum geht’s«, sagte Lea. »Du hast das Benzin auf den Baum geschüttet, du hast ihn getötet.«
    Miller fing wieder an zu schluchzen, diesmal ohne die Hände vors Gesicht zu halten. »Nein«, sagte er. »Du Affe! Du hast gesagt, du zündest mich an. Und das machst du jetzt gefälligst!«
    »Nein«, sagte Lea. »Das geht nicht; das ist nicht die Bedeutung von ›genau‹.« Sie kam wieder auf ihn zu, selbstsicher und mit erhobenem Kopf. Ihn anzuzünden wäre gegen ihre Logik gewesen. Schon immer hatte sie nur ganz genau das getan, was in ihrer Welt Sinn ergab. Das war meine Lea. Prächtig und hart; eine, die ganze Welten erschuf.
    »Das ist mir egal. Verbrenn mich! Mach es einfach«, sagte Miller.
    »Nein«, sagte Lea. »Das ist deine Strafe. Du bleibst hier. Du bleibst da sitzen. Das ist deine Strafe –«, und sie hätte weitergemacht, wäre Miller nicht aufgestanden und hätte ihren Arm gepackt und so verdreht, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Dann versuchte er, ihr die ungeschälte Banane in den Mund zu schieben, und beschimpfte sie als Affen, dann fluchte er immer schneller, Flüche, die ich noch nie gehört hatte. Lea hatte die Lippen fest aufeinandergepresst und die Banane wurde aus der Schale gequetscht, ihr ganzes Gesicht war voller Bananenmatsch.
    Ich rannte auf Miller zu und trat mit aller Kraft auf ihn ein. Ich trat ihn immer wieder und dann packte Lea meine Hand und wir rannten los, zur Tür hinaus und in den Olivenhain.

    Während Lea ihre Grundausbildung absolvierte, wurde ihre Einheit abkommandiert, um bei der Räumung des Gazastreifens zu helfen. Sie brauchten Soldaten in der Grundausbildung, die alles zusammenpackten, was die Siedler, die nicht freiwillig gegangen waren, zurückgelassen hatten, und die Rekrutinnen der Militärpolizei waren die Auserwählten. Ich war noch nicht eingezogen worden. Lea hatte mich angerufen und mir von einem kleinen Mädchen erzählt, das angefangen hatte, Sand zu essen, als sie ihm gesagt hatte, es könne nicht in sein Haus zurückgehen, und dass Planierraupen innerhalb von zwölf Stunden einen gesamten Uni-Campus dem roten Erdboden gleichgemacht hatten. Sie hatte Geschichten und brauchte mich wieder als Freundin. Genau an dem von Lea bewachten Straßenabschnitt hatte sich eine Russin angezündet.
    »Wirklich merkwürdig ist die Sache mit dem Eis«, sagte sie. »Wahrscheinlich haben sie Angst, dass die Soldaten hier durchdrehen, darum teilt die Armee immer wieder Eis aus. Als ob Sommer wäre.«
    »Es ist Sommer«, sagte ich in den Hörer.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Das ist ja das Merkwürdige.«

    Lea und ich rannten aus Millers Haus und durch den Olivenhain. Das alles passierte nur fünf Stunden bevor ich nach Naharija trampen und in Tel Aviv den Zug nehmen musste. Ich lief weiter, meine Gedanken waren unruhig. Ein Schritt, zwei Schritte. Ich hüpfte, riss die Arme in die Luft und erstarrte mitten in der Bewegung.
    »Lea«, sagte ich. »Wollen wir Olivenbäume spielen? Wir spielen, wir hätten Tausende von Jahren gelebt und gelebt und jetzt sind wir lebendig.«
    Lea lief nicht weiter voraus, drehte sich aber auch nicht zu mir um. »Nein«, sagte sie. »Ich kann nicht.«
    »Klar können wir das«, sagte ich. »Wir können so tun. Wenn wir wirklich wollen, können wir Bäume sein.«
    »Nein«, sagte sie. »Ich kann wirklich nicht. Ich kann kein Baum sein.« Sie schaute auf den trockenen gelben Boden.
    Und sie lief weiter, ihr Körper wurde

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