Das war eine schöne Reise
uns?«
»Wir werden gleich dort sein.«
Vor dem Waschraum wartete jetzt schon ein gutes halbes Dutzend Reisende, und drüben, jenseits des Harmonikadurchganges, waren es nicht weniger.
Herr von Berg rieb sich das Gesicht: »Unrasiert und fern der Heimat...«, murmelte er angewidert.
»Wenn Sie Glück haben, sind Sie nach einer halben Stunde an der Reihe...«
»Miese Organisation«, knurrte Herr von Berg und zündete sich auf nüchternen Magen die erste Zigarette an.
»Wie pflegte der selige Pütterich zu seinem Dorchen zu sagen?« grinste Otto Lobedanz. »Wer es gut haben will, muß zu Hause bleiben...«
Herr von Berg machte ein Gesicht, als würde ihm plötzlich schlecht, und ging davon, um einen weniger umlagerten Waschraum zu suchen.
»Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, daß Herr Schnürchen seine Geldtasche wiederbekommen hat, Herr Lobedanz?«
»Was erzählen Sie da?« rief Otto Lobedanz verblüfft.
»Leider war sie leer...« Und sie erzählte ihm die ganze Geschichte, wie sie sie gehört und zum Teil selber miterlebt hatte, und sie erwähnte auch, daß Herr Schnürchen glaubte, sich daran erinnern zu können, daß er seine Geldtasche am Kiosk liegengelassen habe.
»So oder so, der Mensch, der sie mitgenommen und geleert hat, sitzt in diesem Zuge«, sagte Otto Lobedanz verkniffen. »Wer war eigentlich bei ihm, als Herr Schnürchen am Kiosk seine Bananen einkaufte?«
»Herr von Berg und Frau Pütterich, aber was soll das? Meinen Sie etwa, die könnten sich daran erinnern, wer sich da alles an den Kiosk drängte? Das ging doch zu wie beim Inventurausverkauf. Nein, nein, Herr Lobedanz, geben Sie sich keine Mühe, Herr Schnürchen ist sein Geld los.«
»Das fürchte ich auch«, murmelte er, »trotzdem...«
Als er die Abteiltür vorsichtig öffnete, war Herr Schnürchen gerade dabei, die mittleren Liegen herunterzuklappen. Seine Mutter empfing ihn ein wenig ungnädig, sie jammerte, daß ihr die Füße angedrungen seien, und fragte ihn, wo er so lange gesteckt habe. Frau Pütterich saß rosig und gut ausgeschlafen in ihrer Ecke. Als sie vernahm, daß die Waschräume für die nächste halbe Stunde belegt seien, holte sie ihre Thermosflasche aus dem Netz und begann zu futtern. Sie lud Herrn Schnürchen und Mutter und Sohn Lobedanz zu einem Becher Kaffee ein und verteilte aus ihrem unerschöpflichen Vorrat freigebig lecker belegte Sandwiches. Auch Frau Lobedanz stellte ihren Reiseproviant zur Verfügung, wenn es auch keine Sandwiches, sondern nur ganz gewöhnliche Wurstbrote waren. Otto Lobedanz griff tüchtig zu und räumte ein Brot mit hausgemachter Leberwurst für Fräulein Sonntag heimlich beiseite. Während sie frühstückten, erzählte Herr Schnürchen den Damen, auf welch wunderbare Weise er heute nacht wieder in den Besitz seiner Geldtasche gekommen war, und ließ das Corpus delicti, das der Dieb verschwinden lassen wollte, reihum gehen. Die Damen waren über die Schlechtigkeit der Welt redlich erschüttert. Indem erschien auch Fräulein Sonntag wieder im Abteil, und Otto Lobedanz hatte einige Mühe, das Wurstbrot, das er ihr zugedacht hatte, wieder in der Tasche seiner Mutter verschwinden zu lassen.
»Möchtest du Fräulein Sonntag nicht auch etwas anbieten, Mama?« fragte er und holte seinen Elektrorasierapparat aus dem Waschbeutel, um endlich seinen Bart loszuwerden.
»Aber bitte, Fräulein, bedienen Sie sich«, sagte Frau Lobedanz und blickte ihrem Otto mit verklärten Augen nach. »Ach, ich danke Gott jeden Tag auf Knien, solch einen guten Sohn zu haben«, fuhr sie mit sanfter Tücke gegen Frau Pütterich gewandt fort, »so etwas Grundanständiges und Solides wie meinen Otto findet man nicht alle Tage. Den muß ich direkt aus der Tür drücken, damit er mal allein ins Kino oder auf ein Glas Bier zu seinen Freunden geht. Und was die Mädchen betrifft… Hör mir bloß
damit auf, Muttchen, sagt er, wenn ich ihn in dieser Hinsicht anstoße, so wie du kochst, das kann mir keine Frau auf der Welt bieten.«
»Ist er denn so verfressen?« fragte Fräulein Sonntag freundlich und griff, ohne sich lange zu zieren, in Frau Pütterichs Vorräte, um sich noch eine Schinkensemmel zu genehmigen.
»Verfressen...!« sagte Frau Lobedanz eisig, als verbäte sie sich solch ordinäre Ausdrücke, »das nicht! Aber er ist sehr verwöhnt!«
»Erbarmen Sie sich, Frau Lobedanz«, rief Frau Pütterich, »wenn man Sie hört, dann könnte man fast meinen, daß mit Ihrem Otto etwas nicht ganz stimmt. Wie es mein
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