Das war eine schöne Reise
er mit einem schweren Seufzer.
»Was ist denn los? Oder war das etwa kein fabelhafter Einfall, das arme Mädchen Monika mit dem kurzen Fuß zu erfinden? Nun sag bloß noch, das wäre dir auch eingefallen...«
»Nie im Leben«, gab er ehrlich zu.
»Na also! Dann mach auch ein lustiges Gesicht!«
»Ach«, sagte er düster, »mir liegt meine Mutter im Magen. Mein Otto ist so mehr ein Gelehrter... «
»Und ein Philosoph bist du auch!«
»Manchmal möchte ich bei solchen Sprüchen im Boden versinken oder mich in Luft auflösen!«
»Armes Kerlchen«, sagte sie mehr erheitert als mitleidig, »ich gebe es zu, ein bißchen kompliziert ist die Dame schon, aber was bleibt uns anderes übrig, als sie so zu verbrauchen, wie sie nun einmal ist? Mach dir keine Gedanken, mit der armen Monika bringen wir den Urlaub schon über die Runden.«
»Ach, Sonny, wie bist du nur darauf gekommen? Ich habe alle Mühe gehabt, bei Tisch nicht zu platzen...«
»Ich bin eben so mehr ein Erfinder«, sagte sie mit einem kleinen Lachen und im Tonfall von Frau Lobedanz. »Aber die Sache ist ziemlich einfach, ich habe tatsächlich eine Freundin, die Monika heißt und die seit einem Autounfall ein wenig hinkt...«
Er preßte ihren Arm zärtlich an seine Rippen: »Und wie du aussiehst! Diese Frisur und dieses tolle Kleid...Als ich dich vorher zwischen Herrn Schnürchen und meiner Mutter am Tisch stehen sah, da habe ich dich im ersten Augenblick gar nicht erkannt, und dann hatte ich plötzlich das Gefühl, mein Herzschlag setzte aus, und mir wurde ganz schwach in den Knien, und ich habe dich gar nicht anzuschauen gewagt, aus Furcht, sie könnten es mir anmerken...«
»Was könnten sie dir anmerken?«
»Daß bei mir der Blitz eingeschlagen hat...«
»Hat er?« fragte sie und blinzelte zu ihm empor.
»Ach, Sonny, ich bin ganz durcheinander, ich habe mir wahrhaftig mit der Rasiercreme die Zähne geputzt und es erst gemerkt, als mir der Schaum aus dem Mund sprudelte. Ich mußte mich immer ansehen, und ich kann es jetzt noch nicht begreifen, daß du etwas an mir findest, was dir sympathisch ist...«
»Komisch«, sagte sie und verstrickte ihre Finger mit seinen, »an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick habe ich auch nie geglaubt, aber als du mich heute morgen um halb fünf im Abteil von meiner Liege hobst, weißt du noch...?«
»Als ob ich das je im Leben vergessen könnte!«
»... da ging es mir durch und durch, und da wurde mir so schwach, daß ich am liebsten an deinem Hals hängen geblieben wäre —, und da wußte ich, daß das für uns beide ein wunderschöner Urlaub wird.«
»Nur ein Urlaub?« fragte er enttäuscht, »und dann soll alles zu Ende sein?«
»Ach, Ottle, nur nichts überstürzen. Wir haben noch unendlich viel Zeit, um darüber zu reden. Aber vielleicht bist du dann sehr froh, dich davor drücken zu können. Denn was weißt du schon von mir? Wie lange kennen wir uns denn?«
»Seit Jahren...!«
»Nein, Ottle, es sind genau zweiunddreißig Stunden, und du scheinst nicht zu ahnen, daß ich ein furchtbares Biest sein kann.«
»Darauf bin ich direkt gespannt!«
In der Via Vespucci herrschte Hochbetrieb. Auf der Fahrbahn glitten die Autos in Dreierreihen und in handbreitem Abstand voneinander dahin, ein funkelnder Strom von Lichtern, Farben und Chrom.
Die leise Furcht von Otto Lobedanz, von Sonny Sonntag wieder in ein Tanzlokal geführt zu werden und dort womöglich in einem Schnellkurs an diesem warmen Abend die neuesten Modetänze absolvieren zu müssen, die er nicht einmal dem Namen nach kannte, war Gott sei Dank unbegründet. Beim Anblick eines kleinen Gartenlokals, in dem Theke und Ausschank in einem riesigen Faß untergebracht waren, bekam sie Durst auf ein kühles, blondes Bierchen, und außerdem begann ihr Fuß zu schmerzen, denn sie hatten für den verhältnismäßig kurzen Weg fast eine Stunde gebraucht. Er wollte einen Tisch an der Straße nehmen, an dem noch zwei Plätze frei waren, aber sie zog ihn in den von bunten Glühlampen nur schwach beleuchteten Hintergrund des Gartens.
»Ich gehe auf Sicherheit, Ottle, denn wer weiß, ob es deiner Frau Mama nicht doch noch einfällt, einen kleinen Bummel über die Promenade zu machen.«
Das Lokal war gesteckt voll, aber sie hatten Glück und fanden an einem Tisch bei zwei alten belgischen Ehepaaren noch zwei wackelige Stühle. Die alten Herren waren so alt, daß sie es wagen durften, Sonny Sonntag auch in Gegenwart ihrer Ehefrauen feurige Komplimente zu machen und
Weitere Kostenlose Bücher