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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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anders verdient, und abgesehen davon hatte Jasper mich versetzt; ohne Jasper gab es keinen Roman, und ohne Roman brauchte ich auch keine Übersetzerin mehr.
    Zurück im Hotel ging ich in die Bar, wo derselbe Barkeeper arbeitete, der mich am Tag meines Einzugs so skeptisch beobachtet hatte. Ich bestellte einen Tequila Sunrise. Das Getränk kam, und ich beobachtete den Granatapfelsirup, der in das Gemisch aus Orangensaft und Tequila gekippt worden war, wie er langsam innen an dem Glas entlanglief und eine rote Spur durch das Gelb des Saftes zog, die an den Rändern ins Orangefarbene verlief. Granatapfelkerne waren es, die Unterwelt-Gott Hades der schönen Demeter in den Mund gesteckt hatte und damit besiegelte, dass sie nie wieder zurück zu den Lebenden konnte. Das war nun in diesen Spaßdrinks drin, von denen ich mir nach dem ersten Schluck bereits einen zweiten bestellte. Dann trank ich in hermeshafter Geschwindigkeit und der Gewissheit, in weniger als einer halben Stunde betrunken zu sein.
    JASPER
    Ich ging nach Hause. Wie ferngesteuert. Hatte gehofft, gleich einschlafen zu können, doch das Debakel im Palmenhaus ging mir nicht aus dem Kopf. Mein Sofa erinnerte mich an die Bank, der Deckenfluter an die Manila-Palme, wieder und wieder dachte ich darüber nach, was ich falsch gemacht haben konnte. Irgendwas an mir musste Meike so erschreckt haben, dass sie weggelaufen war. Sah man es doch, mein zuckendes Augenlid? Sah ich aus wie ein wahnsinniger Zocker? Ich traute mich nicht, in den Spiegel zu sehen.
    Am nächsten Morgen tastete ich in der Halbdunkelheit meines Wohnzimmers nach den Chipstüten, die vor dem Sofa lagen. In einer war noch etwas drin. In der Dusche wäre ich fast wieder eingeschlafen, ebenso in der Bahn. Ich stieg eine Station früher aus, holte mir ein paar Cheeseburger und einen Literbecher Cola. Das Brennen im Magen ließ nach, sobald ich anfing zu essen, und verschwand schließlich ganz.
    Ich konnte es kaum erwarten, an meinen Platz im Händlersaal zu kommen. Endlich an etwas anderes denken zu müssen. HomeStar fiel nicht weiter, stieg aber auch nicht. Ich öffnete den Graham-Santos-Account, hielt die Positionen in Bewegung, worin ich inzwischen so viel Routine hatte, dass ich zwischendurch sogar Kundenanrufe entgegennehmen konnte.
    Um 9:39 kam der Anruf.
    »Jasper, hier ist Brittany aus dem Back-Office. Wegen der Positionen, die ihr falsch gebucht habt. Die Leute von EUREX haben angerufen.« 9:39 und 25 Sekunden, 26 Sekunden, 27 Sekunden. »Die wollen eine Margin-Zahlung von, äh, zehn Millionen, kann das stimmen?«
    Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Hatte ja geahnt, dass es so kommen würde: Obwohl ich meine Geschäfte über verschiedene Börsen abrechnete, nicht nur über EUREX, sondern auch über Euronext oder Turquoise, würden die Börsen irgend wann diese Garantien fordern: Margin-Zahlungen als Sicherheit für den Fall, dass meine Verluste sich weiter erhöhten.
    »Ich sehe mir das mal an und rufe dich zurück«, sagte ich und legte auf, so schnell, dass Brittany gerade noch »okay« sagen konnte. Ich musste so tun, als wäre das Ganze nur ein kleines Ärgernis an einem stressigen Tag. So waren es die im BackOffice gewohnt, behandelt zu werden. Als Erbsenfzähler. Störenfriede. Nachdem ich aufgelegt hatte, blieb die Zeit für einen Moment stehen. Dann fing sie an zu rennen. EUREX wollte keinen freundlichen Anruf von mir, kein fiktives Gegengeschäft. EUREX wollte Geld. Zehn Millionen. Von dem Kunden, den ich Graham Santos genannt hatte. Wenn er nicht zahlte, flog alles auf.
    HELP for explanation stand auf dem Bloomberg-Monitor.
    HELP stand auch auf einer Taste auf dem Keyboard. Sie war grün. Oben, neben der roten CANCEL-Taste. Ich wischte ein Staubkorn von ihr runter. Dann sprang ich auf, drückte mich so abrupt in die Höhe, dass mein Stuhl nach hinten sprang und gegen die Lehne des Kollegen schlug, der mit dem Rücken zu mir saß. Alle sahen mich an. Es konnte doch nicht sein, dass niemand etwas ahnte. Alle mussten es wissen, Alex, Suzanne, Nathan, sogar Jeff. Alle! Ich musste hier raus. Doch als ich einfach nur dastand und mich nicht bewegte, sahen alle wieder auf ihre Monitore.
    Als meine Knie anfingen zu zittern, setzte ich mich wieder.
    Ich musste Brittany zurückrufen, doch mein Mund war so trocken, dass ich befürchtete, nicht mehr rauszubringen als ein Krächzen.
    Es musste eine Lösung geben. Bis hierher hatte ich es doch auch geschafft. Ich ging alle meine Schritte noch mal durch:

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