Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
Vom Netzwerk:
Ich hatte durch ein unautorisiertes Optionsgeschäft Geld gewonnen. Zu viel Geld. Um zu verhindern, dass das auffiel, wollte ich das Geld mit einem ebenfalls unautorisierten Geschäft wieder verlieren. Auch das hatte geklappt. Nur, dass ich viel zu viel Geld verloren hatte. Seitdem hatte ich immer wieder mit Verkaufsoptionen auf das Fallen von HomeStar gesetzt. Um zu verschleiern, wie viel ich dabei riskierte, hatte ich zu jeder Verkaufsoption eine passende Kaufoption in ähnlicher Höhe fingiert, sodass alles nach sicheren Long-Straddle-Geschäften aussah. Immer mehr hatte ich riskiert und gestern sogar HomeStar-Aktien leer verkauft. Aktien, die ich gar nicht hatte. Nun forderten sie Margin. Und doch hatte ich immer noch eine Chance. Wenn HomeStar heute fiel. Irgendwann musste es klappen. Im Casino kam auch nicht immer nur Rot.
    Ich zählte bis zwanzig, dann rief ich Brittany zurück:
    »Tut mir leid, bei euch müssen ja wirklich die Alarmglocken klingeln. EUREX hat recht. Die kriegen zehn Millionen, aber nicht von uns, sondern von einem neuen Kunden, den wir hier haben. Graham Santos. Bin schon dabei, das zu korrigieren.«
    »Verstehe. « »Okay?«
    »Der Kunde muss aber heute zahlen«, sagte Brittany. »Soll ich ihn mal anrufen ?«
    »Das kann ich machen. Wenn der Santos heute nicht zahlt, rufst du mich noch mal an, ja?«
    Brittany bedankte sich. Eigentlich müsste sie der Sache selber nachgehen, doch ich wusste, wie ungern sich jemand aus dem Back-Office mit Kunden auseinandersetzte. Niemand will dafür verantwortlich sein, durch unbedachte Anrufe bei Kunden den Eindruck zu erwecken, dass hier einer nicht wusste, was der andere tat. Das könnte dem Vertrauen der Kunden in Rutherford & Gold schaden, und Vertrauen war das Allerwichtigste.
    Nun, wo ich gesagt hatte, dass ich mich darum kümmerte, konnte sie den Vorgang als erledigt ansehen - zumindest für heute. Vielleicht war ich doch cleverer, als ich gedacht hatte. Man musste wirklich kein großer Hacker sein, um komplexe Sicherheitssysteme zu umgehen - es reichte völlig zu wissen, wie normale Leute diese komplexen Systeme anwendeten.
    Ich erinnerte mich an meine Zeit im Back-Office. Seit wir die Risk-Compliance-Software GateGuard eingeführt hatten, die beste auf dem Markt, bekamen wir täglich Risikowarnungen, als hätte ein Händler aus Versehen den ganzen holländischen Staat gekauft. Wir nahmen diese Warnungen so ernst wie ein Kunde im Supermarkt den Hinweis auf einer Plastiktüte, dass er an ihr ersticken könnte. Das Back-Office musste Alarmsignale ignorieren, um überhaupt arbeiten zu können. So hatte ich mich verhalten, und Brittany tat es auch. Daran zu denken, was passierte, wenn Brittany morgen früh merkte, dass Graham Santos keine Margin-Zahlung geleistet hatte, war nicht professionell. Morgen war schließlich erst morgen.
    Als ich wieder das Telefon abnehmen wollte, erreichte ich es kaum mit dem Arm, so tief war ich in meinem Stuhl runtergerutscht. Fast lag ich da, die Schultern auf der Höhe der Schreibtischkante. Wie Chris Neely. Ich rappelte mich hoch, führte einen weiteren Kundenauftrag aus und musste mit ansehen, wie HomeStar währenddessen um 0,7 % stieg. Das Minus von gestern ausglich. Stieg, nachdem ich fast zweihundert Millionen darauf gesetzt hatte, dass sie fielen.
    Telefon. Ich ließ es klingeln. Öffnete den Account von Graham Santos ein weiteres Mal. Wenn heute niemand die Margin-Zahlung leistete, schmiss das Casino mich raus. Es gab kein Morgen. Heute musste es passieren. Heute.
    Meike hatte unrecht gehabt. HomeStar würde nicht fallen.
    Ich musste aufhören, daran zu glauben, genau wie ich aufhören musste, an Meike zu denken.
    Ich stieß alle Verkaufsoptionen ab. Kaufte Kaufoptionen.
    Verdoppelte in anderer Richtung, setzte auf Schwarz statt auf Rot. Nun mussten HomeStar und die anderen Hypothekenbanken nur noch das weiterhin tun, was sie in den letzten Tagen fast unentwegt getan hatten: steigen.
    Das Nächste, an das ich mich erinnerte, war Alex' Stimme hinter mir: »Jasper?«
    Jetzt ist es vorbei, dachte ich kurz. Dann fiel mir ein, warum er mich zu sich bat. Es war Letter Day.
    Den ganzen Vormittag wurden bereits Mitarbeiter zu ihren Vorgesetzten in die Büros geholt, einer nach dem anderen. Ein paar Minuten Gespräch, dann gab es den Bonus-Scheck. Ich sah mich um. Alex ging in Richtung seines Glaswürfels. Ich folgte ihm. Als ich sein Büro betrat, wies er ohne eine Handbewegung auf einen Stuhl, nur mit einem Nicken. Ich

Weitere Kostenlose Bücher