Das waren schöne Zeiten
Pat, der Ire, sich nicht in unserer kleinen Gemeinschaft wohl fühlen würde. Und so war es auch. Für mich besonders bedeutete er immer eine Quelle des Vergnügens. Mir gefiel seine unwahrscheinliche Güte, seine immer gleichbleibende gute Laune, sein unübertrefflicher Witz. In meinen ersten Storys stellte er >Paddy< dar. Die meisten Eskapaden dieser Gestalt basieren auf Tatsachen, und ob man es nun glaubt oder nicht, sie waren kaum übertrieben.
Wir liebten ihn beide, und ich bin sicher, auch er genoß sein Zwischenspiel auf unserer Farm. Erst als unsere finanzielle Lage sich ernsthaft zuspitzte, waren wir, sehr zu unserem Kummer, gezwungen, uns von ihm zu trennen. Er verschwand aus unserem Leben genauso, wie er aufgetaucht war. Das letzte, das wir von ihm sahen, war, wie er in Oparau in die Kutsche hineinkletterte, schon ein bißchen unsicher auf den Beinen wegen des hausgebrauten Bieres, das es dort gab, und mit einer geradezu apostolischen Würde die Hand zum Abschiedsgruß hob.
Die sorgenvollen Kriegsjahre haben sich meinem Gedächtnis als ein einziger, endloser Kampf mit der harten Arbeit, dem sich immer mehr verschlechternden Land, dem permanenten Geldmangel eingeprägt, der nur durch Walters unversiegbaren Mut und Mutters Unerschütterlichkeit Erleichterung erfuhr. Wenn ich auch manchmal verzweifelt war, so blieben doch weder Bedrückung noch Ungeduld in dieser Atmosphäre lange bestehen. Eine dafür typische Episode ist mir noch sehr lebhaft in Erinnerung. Wir besaßen natürlich keine Heißwasserversorgung, klammerten uns aber trotzdem an die Gewohnheit des abendlichen Bades in diesem komischen kleinen Badezimmer, welches immerhin eine gewaltige Verbesserung gegenüber der Zeit mit dem Zelt im Garten darstellte.
Dazu war es aber notwendig, daß wir dauernd einen Petroleumkanister mit heißem Wasser auf dem Herd stehen hatten, um die etwas ärmliche Versorgung aus dem Warmwasserboiler aufzubessern. An jenem speziellen Abend rutschte ich aus und stieß den Kanister um, so daß sich das ganze Wasser über den Küchenfußboden ergoß. Voller Wut begann ich es aufzuwischen, und als Walter zufällig die Küche betrat, fauchte ich zornig: »Wahrscheinlich werde ich mindestens fünfzig sein, bis ich endlich fließendes heißes Wasser bekomme!«
»Nu, altes Mädchen, sogar dann wird es dir nicht schaden, wenn du mal richtig abgeschrubbt wirst«, meinte er nur grinsend, nahm mir den Putzlumpen aus der Hand und begann den Schaden wieder zu beseitigen. Was konnte ich anderes tun, als mit ihm über das Ungeschick lachen?
Eines der Dinge, die wir in diesen Jahren am bittersten entbehrten, waren die Nachrichten über die Kriegsgeschehnisse. Radio gab es natürlich nicht, und unsere Tageszeitung war oft schon eine Woche alt, bis wir Zeit fanden, sie vom Postamt in Oparau abzuholen. Voller Neid dachte ich oft an die Zeitungen, die in der Stadt jeden Morgen pünktlich auf dem Rasen vor dem Haus lagen, und als ich das einmal Johnny gegenüber erwähnte, sagte er ohne lange Überlegung: »Wissen Sie was, ich erhalte die Zeitungen, sooft die Kutsche kommt. Und außerdem habe ich einen Kumpel im Postamt in Te Awamutu, der mich jedesmal, wenn sich etwas Besonderes ereignet, sofort anruft. Ich sehe keinen Grund, warum ich das nicht an euch alle weitergeben soll. Ich werde mit sämtlichen Telefonanschlüssen, sagen wir um sieben Uhr jeden Abend, Verbindung herstellen und dann einmal ganz lang klingeln lassen. So, wie jetzt« — und er drehte die Handkurbel seines Apparates fast eine ganze Minute — »und dann könnt ihr alle die Hörer abnehmen, und ich sag euch, was los ist.«
Wir alle in dieser gottverlassenen Ecke der Welt waren ihm von Herzen dankbar dafür. Jeden Abend um sieben Uhr ertönte nun unfehlbar das lange, schrille Klingeln, und wir liefen zum Telefon. Johnnys Stimme, vor Wichtigkeit dröhnend, ließ sich klar vernehmen: »Alle bereit? Gut. Jetzt fängt es an... Halt, Moment mal! Es kommen da heute abend ein paar verflixte komische Namen in den Nachrichten vor. So richtige Zungenverdreher. Weiß nicht, was damit los ist. Hat keinen Sinn, wenn ich versuche, die auszusprechen; darum werde ich, wenn so eine >Halskrankheit< kommt, einfach >Schubkarren< sagen. Damit müßt ihr dann eben zurechtkommen. Einverstanden?«
Wir stimmten bereitwillig zu, und von dieser Zeit an bis zum Kriegsende hörten wir allabendlich ein Bulletin, das Sätze wie diesen enthielt: »Die Engländer leisten hartnäckigen Widerstand.
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