Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
neugierigen Fragen stellte, warum sie in bar bezahlte, und dort ein paar Tage bleiben, bis die Lage sich etwas beruhigt hatte. Aber wo sollte sie ein solches Etablissement finden? Im Zentrum ganz bestimmt nicht, und bis Anacostia war es weit. Dazu müsste sie sogar eine Brücke überqueren, und das würde an den Kontrollen scheitern. Also blieb noch die dritte Möglichkeit: Sie musste irgendjemanden finden, der ein Fahrzeug besaß und sich überreden ließ, mit ihr schön weit weg zu fahren.
Da piepte es in ihrer Handtasche, und Doggie gefror fast das Blut in den Adern. Mist!, dachte sie, wühlte nach ihrem Handy und schaltete es aus. Warum zum Teufel hatte sie das vergessen? Jetzt hatten sie bestimmt ihr Handy geortet und wussten, wo sie war. Sie hatte keine Ahnung, wie schnell so etwas möglich war. Sie biss sich auf die Lippe. Konnte man eigentlich auch ein ausgeschaltetes Handy orten?
Am ganzen Körper zitternd entfernte sie den Akku aus dem Telefon und packte beides zurück in die Tasche. Sie durften sie auf keinen Fall aufgrund eines so dummen Fehlers schnappen.
Sie überquerte die Straße und marschierte dann an einer Reihe geparkter Autos entlang, hinter die sie sich jederzeit ducken konnte, wenn wieder ein Streifenwagen kam. Mit energischen Schritten bewegte sie sich Richtung Norden.
Nach einer Viertelstunde bemerkte sie, dass ihr jemand folgte. Bitte mach, dass es kein Uniformierter ist, flehte sie innerlich, drehte sich aber erst an der nächsten Ampel um. Der Verfolger trug keine Uniform, er war ein ganz normaler Mann um die sechzig. Trotzdem war ihr unwohl. Sie versuchte, den Abstand zu ihm zu vergrößern, indem sie die Straßenseite wechselte, aber er blieb ihr auf den Fersen. Sie hatte sich darauf eingestellt, dass der Mann sie gleich ansprechen würde, aber darauf, dass er sie an der Schulter packte, war sie nicht gefasst. Sein stechender Blick ließ sie kurz überlegen, laut um Hilfe zu schreien. Doch dann fiel ihr ein, dass sie unbedingt jegliches Aufsehen vermeiden musste, und so ballte sie lediglich die Hände zu Fäusten.
»Ja?« Ihr Ton war schroff. Seine Haare und seine Haut waren grau, die Ärmel seiner Tweedjacke zu kurz. »Kennen wir uns?«
»Ihr Vater hat die Frau des Präsidenten ermordet. Ich habe Sie im Fernsehen gesehen.«
Sie schüttelte seine Hand ab und sah ihn wütend an. Dabei war Wut doch im Moment gar nicht das vorherrschende Gefühl in ihr. Am liebsten hätte sie gesagt, dass er sich irre, sie sei nicht die, für die er sie halte, es passiere ihr öfter, dass man sie verwechsle. Aber sie konnte es nicht. »Nicht mein Vater hat Mimi Jansen ermordet«, sagte sie stattdessen, »sondern sein Angestellter.«
»Ja, das behaupten Sie!«
Sie schob sich an ihm vorbei und eilte dann zur nächsten Kreuzung. Er folgte ihr immer noch. Verschwinde!, dachte sie. Was geht dich das überhaupt an? Verschwinde endlich!
Die Menschen um sie herum wurden aufmerksam. Ein alterMann, der einer jungen Frau hinterherrannte, gehörte hier nicht zum normalen Straßenbild.
»Nun gib schon endlich auf, Alter!«, murmelte sie einige hundert Meter weiter. Inzwischen war sie in einem der Randbezirke angekommen, wo sie noch nie zuvor gewesen war. Die Füße schmerzten, Seitenstechen plagte sie, aber sie musste weiter.
Keuchend holte er sie ein, als sie in eine Seitenstraße abbog. Sie lief weiter.
»Ich habe Sie im Gerichtssaal gesehen!«, brüllte er ihr nun fast schon ins Ohr. »Sie sind schuld daran, dass es mit unserem Land bergab geht! Sie sind schuld daran, dass unser Präsident verrückt geworden ist! Ist Ihnen das eigentlich klar?«
Abrupt blieb sie stehen und drehte sich um. »Wenn hier jemand verrückt ist, dann ja wohl Sie! Rennen mitten auf der Straße schimpfend einer Frau hinterher! Gehen Sie nach Hause, Sie sind doch viel zu alt für so was!«
Der Mann verpasste Doggie so unvermittelt einen Kinnhaken, dass sie mit dem Kopf gegen die Mauer hinter sich schlug und zu Boden ging.
»Was fällt dir ein, mich verrückt zu nennen?«, schrie er und stampfte in gefährlicher Nähe ihres Gesichts auf den Boden.
Doggie zog sich an der Mauer hoch, doch der Mann war noch nicht fertig. »Du blöde Schlampe, sieh zu, dass das Elend bald ein Ende hat, sonst geht es uns allen an den Kragen!« Er wollte gerade noch mal auf sie losgehen, als ein paar Passanten stehen blieben und den Mann zur Seite schoben. Ein Schwarzer hielt ihn fest.
»Was bildest du dir ein, du Niggersau?«, zischte der Alte, und
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