Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
sah ihm auch an, dass es ihm schwerfiel. Wolfgang Sunderland war seit seinen besten Zeiten deutlich zusammengesunken, aber immer noch ein stattlicher Mann. Nachdem T. ihm seinen Dienstausweis gezeigt hatte, führte er ihn in ein puritanisch eingerichtetes Zimmer, dessen einziger Schmuck geschnitzte Mahagonikassetten vom Fußboden bis zur Decke waren. Na, hier ist es ja ungefähr so gemütlich wie auf einer öffentlichen Toilette, ging es T. durch den Kopf.
»Was führt einen Mann des Gesetzes zu uns? Hat einer der mexikanischen Tagelöhner von der Lexington Lodge endlich Mist gebaut?« Er setzte sich in seinen Sessel und machte sich daran, zwei Gläser Wild Turkey einzuschenken.
»Ich bin hier, um Ihnen ein paar Fragen zu Thomas zu stellen, Sir.«
»Ach so.« Der Alte unterbrach das Einschenken, stellte die Whiskyflasche ab und erhob sich unter Mühen wieder. Dann reichte er T. die Hand. »Damit ist unsere Unterhaltung für heute wohl beendet, Sheriff Perkins.«
T. schlug nicht ein. »Ich weiß, dass das schwer für Sie ist, Sir, aber nun lassen Sie uns doch erst mal anfangen. Ein paar offene Worte unter rechtschaffenen Männern sind Ihnen doch sicher auch lieber als Tausende Fragen von Scharen neugieriger Bundespolizisten, oder?«
»Was soll das heißen?«
»Beantworten Sie meine Fragen, Sir, dann können Sie so weiterleben wie bisher. Wenn Sie meine Fragen nicht beantworten, befördern Sie sich selbst in die Schusslinie. Früher oder später werden Ihnen andere dieselben Fragen stellen, und die sind mit Sicherheit weniger angenehm als ich.«
Wolfgang Sunderland war schon fast neunzig, aber hätte man ihm in diesem Moment eine Schusswaffe gegeben, hätte er mit Sicherheit wie ein nervöser zwanzigjähriger Leutnant auf Erkundungstour im Feindesland das ganze Magazin auf T. abgefeuert. Er bebte vor Zorn und Widerwillen und musste sich an der Stehlampe neben dem Sofa festhalten. Dann beruhigte er sich wieder, ging zittrig zum Sofa und setzte sich. Er leerte sein Whiskyglas und füllte es gleich wieder auf.
»Ihr Sohn bekam für seinen Einsatz auf Grenada eine Medaille. War er ein tapferer Soldat?«
Warnend hob Sunderland den Zeigefinger. »Nennen Sie ihn Thomas oder sonst wie. Aber mein Sohn ist er nicht, verstanden?«
»Gut. War er ein tapferer Soldat, Sir?«
Der General trank das Glas wieder leer und schenkte abermals nach. Er schnupperte an der Flüssigkeit und fing an zu lachen. »Er war ein Feigling. Eine Schande für seine Familie. Das war er.«
»Aber Sie haben ihm doch die Medaille überreicht?«
Er blickte T. Perkins grimmig an. »Ich habe keine Lust, Ihre Fragen zu beantworten.«
»Gut. Würden Sie mir dann bitte in Ihren eigenen Worten erzählen, was für ein Mensch er ist?«
Der Alte schürzte die Lippen. »Ich weiß weder, welche Befugnisse Sie eigentlich haben, noch, warum Sie hier sind, aber das ist mir auch herzlich egal. Ich nehme an, Sie wissen, dass Thomas adoptiert war?«
T. nickte.
»Er hätte niemals in mein Haus kommen dürfen. Und wenn meine Frau, Gott hab sie selig, nicht unfruchtbar gewesen wäre und sich nicht so sehnlich ein Kind gewünscht hätte, wäre er auch nie zu uns gekommen.« Wieder leerte er sein Glas und hielt es dann einen Moment schlaff in der Hand. »Ja, ich habe ihm die Medaille überreicht, aber verdient hatte er sie nicht. Oder hat ein Mann, der sich hinter seinen niedergestreckten Kameraden versteckt, vielleicht eine Medaille verdient? Da, wo ich herkomme, lautet die Antwort nein. Aber so ist er. Das konnten wir sehen, kaum dass er zu uns gekommen war. Wie er hinter den Töchtern meiner Untergebenen in Ramstein herlief und wie schnell er in die entgegengesetzte Richtung laufen konnte, wenn das Konsequenzen hatte. Ist Ihnen klar, was das für ein Skandal ist, wenn Ihr Sohn reihenweise die minderjährigen Töchter Ihrer untergebenen Offiziere schwängert?« Er schüttelte den Kopf und überlegte, sich noch einen Whisky einzuschenken.
»Bei dem Jungen waren irgendwelche Schrauben nicht einfach nur locker, sondern vollkommen fehlplatziert. Hat uns alle an der Nase herumgeführt, der Mistkerl. Glauben Sie mir, er wusste schon immer, wie man Menschen manipuliert. Sie sind in Ihrem ganzen Leben sicher keinem jungen Mann begegnet, der die Menschen derart gegeneinander ausspielen konnte wie er.« Er stellte das Glas ab. »Seine eigene Mutter hat er gegen mich aufgehetzt. Ja, ich sage Mutter, denn meine Frau hat ihn wirklich geliebt, Gott hab sie selig. Er hat sie
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