Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
völlig verloren.
Er betätigte die Gegensprechanlage. »Bringen Sie mir bitte zwei Cola, Eleanor?«
»Sie müssen in zwei Minuten bei Mr. Sunderland sein!«
Wesley sah zur Uhr. Wieso zum Teufel ist es plötzlich schon so spät, dachte er kopfschüttelnd.
»Und warum sitzen wir hier?«, fragte Wesley und sah hinüber zu Sunderlands Pinnwänden, wo mit kleinen Nadeln in Reih und Glied Zeitungsausschnitte aus aller Welt befestigt waren, darunter mindestens hundert Pressefotos. Fotos von Jansen mit blitzenden Augen und Fotos von der mexikanischen Grenze, wo Tausende Deportierte in Flüchtlingslagern gefangen gehalten wurden. Bilder von Gefangenen mit Warnwesten, die an den Autobahnen Müll aufsammelten. Pressefotos von Milizanführern mit schussbereiten Waffen und hasserfüllten Mienen. Alles war da. Die Welt wusste Bescheid.
In der untersten Reihe der Zeitungsausschnitte hing ein halbseitiges Feature aus ›Le Figaro‹ mit einem großen Fotovon Präsident Jansen. Wesley verstand den Text nicht, aber er konnte das Datum lesen. Demnach wusste man weit über die Landesgrenzen hinaus von dem Mordversuch.
Nein, man brauchte die Hilfe des Presseamtes des Weißen Hauses nicht, um an Nachrichten wie diese heranzukommen.
»Wir sitzen hier, weil der Glaser mit dem Oval Office erst in zwei Stunden fertig sein wird«, antwortete Sunderland, ohne aufzublicken.
»Aha.« Wesley hatte keine Ahnung, worum es ging. Was hatte ein Glaser im Oval Office zu tun? Seines Wissens waren die Fenster in Ordnung.
Als der Präsident eintrat, gab er Verteidigungsminister Wayne Hendersen und Sicherheitsminister Billy Johnson die Hand und bedeutete dann den anderen, sich zu setzen. »Was meinen Sie, Lance«, sagte er zu Stabschef Burton. »Haben wir die Sache mit Donald Beglaubter im Griff?«
Betroffen hörte Wesley, wie Jansen sich ausdrückte: die »Sache mit Donald Beglaubter«. Und was meinte er damit? Die Informationspolitik in dieser Sache? Denn die war kaum mehr als eine Nulllösung. Oder meinte er, auf welche Weise Donalds Eltern und seiner Schwester, die nebenan im Dwight Eisenhower Building arbeitete, kondoliert worden war? Oder sprach er womöglich von dem Staatsbegräbnis auf dem Friedhof von Arlington, das am Montag stattfinden sollte? Oder wollte er in Wahrheit damit sagen, dass alle zum Schweigen gebracht werden sollten, die darüber spekulierten, warum so viele Dinge so fürchterlich schiefliefen?
Lance Burton, der neben Wesley auf dem Sofa saß, zuckte etwas zusammen und nickte.
»Sehr schön. Wer fängt an? Wayne, werden wir Moonie Quale vor Sonntagabend schnappen, wie Sie uns das versprochen haben?«
Verteidigungsminister Wayne Henderson, ohnehin der Ältestein der Runde, schien in den letzten beiden Wochen noch einmal rapide gealtert zu sein.
»Habe ich das versprochen?« Er bemühte sich zu lächeln, merkte aber gleich, wie fehl am Platz das war. »Wir haben gestern zwei der Anführer der Milizkoalition getötet, heute Nacht wurden die Missouri Bushwhackers ausgelöscht. Die Kommunikationswege der Koalition konnten in großem Umfang aufgedeckt werden. Wir arbeiten auch weiterhin unter Hochdruck an der Sache. Wir haben enge Verbindungen zwischen der Miliz und aufständischen Offizieren aufgedeckt, und ich glaube mit Sicherheit sagen zu können, dass sich binnen Kurzem entscheidend Neues zum Aufenthaltsort von Moonie Quale ergeben wird. Mit Sicherheit in den beiden nächsten Tagen.«
»Ja, und wir wissen, dass Quale verwundet wurde, sogar schwer verwundet«, ergänzte Billy Johnson. »Sobald er einen Arzt aufsucht, haben wir ihn, und tut er das nicht, hat sich die Sache meinen Informationen zufolge von selbst erledigt. Ohne ärztliche Versorgung hat er keine Woche mehr zu leben.«
»Warum geht man davon aus, dass die Milizen keine eigenen Ärzte haben?«, fragte Wesley, der spürte, wie Sunderlands bohrender Blick auf ihm ruhte.
»Ja, sicher haben sie eigene Ärzte. Das observieren wir ebenfalls. Im ganzen Land gibt es keinen einzigen OP, den die FEMA nicht observiert«, antwortete Johnson.
»Ich dachte an Feldlazarette.«
Billy Johnson lächelte müde. »Wesley, wir finden sie.«
Präsident Jansen sah Sunderland an. »Soweit ich weiß, wird der Platz für die Internierten in den Lagern knapp.«
»Nein, das glaube ich nicht.« Thomas Sunderland lehnte sich zurück und tippte mit dem Kugelschreiber auf die Tischplatte. »Die Leute dort draußen sind sehr effektiv. Aber sollten wir darauf nicht später
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