Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Vizepräsidenten Micheal K. Lerner weitere Fragen gestellt. Lerner hatte sich seit seinem Rücktritt mit zwei weiteren ehemaligen Kollegen aus dem Senat in einer Jagdhütte bei Knoxville versteckt. Sie hatten sie zu Sunderland befragt und zu Ben Kane und seinen Männern, die alle entweder tot oder verhaftet waren. Und zu Wesley und ihr und ihrem Verhältnis zueinander.
Aber in erster Linie war es um den Präsidenten gegangen. Um seinen Geisteszustand. Doggie hatte das Gefühl, das Ergebnis sei bereits klar: Zwar würde man den Präsidenten nicht für die von Sunderland initiierten kriminellen Handlungen zur Verantwortung ziehen können – aber des Amtsmissbrauchs hatte er sich dennoch in höchstem Maße schuldig gemacht.
Tausende Menschen waren ums Leben gekommen, es war immenser Sachschaden entstanden, die Rechtsgrundlagen und Ideale einer Nation waren mit Füßen getreten worden. Doggie sah den Fragestellern an, dass es ihnen nicht darum ging, den Gesetzes- und Verfassungsapparat wieder genauso zur Anwendung zu bringen wie vorher. Jetzt ging es vielmehr um die Werte jedes einzelnen Bürgers. Sie wollten zurück auf die Mitte des amerikanischen Wegs, sagten sie. Aber konnte das gelingen?
Gewiss ging es auch darum, die höchsten Ämter des Landes in Windeseile neu zu besetzen. Die beiden Männer, die vor ihr saßen, waren wohl dafür prädestiniert.
Kurz bevor sie Doggie entließen, erzählten sie ihr von der bevorstehenden Anhörung im Senat. Sie sei herzlich willkommen, der Veranstaltung beizuwohnen.
Müde lächelnd nickte sie. Sie wusste, dass das keine freundliche Einladung, sondern eine Anordnung war.
Zum Schluss erinnerten sie sie an die Beerdigung »eines der größten Helden in dieser schweren Krise«, wie sie sich ausdrückten. Um zwei Uhr auf dem Friedhof zu Arlington.
In Doggies Ohren klangen die Worte so hohl. Aber ja, natürlich. Doggie nickte. »Einem der größten Helden in dieser Krise« würde sie selbstverständlich die letzte Ehre erweisen. Dachten die etwa, sie hätte Donald Beglaubter bereits vergessen?
Im Wachraum saß der Typ, der sie am Tag zuvor nicht wiedererkannt hatte. Jetzt wusste er sehr wohl, wer sie war. »Miss Rogers! Sie werden gebeten, noch mal zurückzugehen, ganz durch bis zum Springbrunnen. Ein Mister Perkins wartet dort auf Sie.«
Das Feuer war so gut wie gelöscht. Die Menschenmenge hatte sich zerstreut, übrig geblieben waren verdreckte, erschöpfte Feuerwehrleute und andere Retter. Und natürlich die allgegenwärtigenLeute von der FEMA sowie einige Reporter. Doggie sah T. mit der unvermeidlichen Zigarette beim Springbrunnen stehen. Als er zu ihr aufsah, kam er ihr noch magerer vor als sonst. Er empfing sie mit so viel Mitgefühl im Blick, dass sie bereits in Tränen ausbrach, bevor er sie in die Arme schloss.
»Ich habe dafür gesorgt, dass wir zum Gefängnis kommen können«, sagte er leise und nickte in Richtung eines abflugbereiten Hubschraubers. »Sollen wir? Die Entscheidung liegt bei dir, Doggie.«
»Kann ich meinen Vater denn noch mal sehen?«, flüsterte sie.
»Das ist Sinn und Zweck der Aktion.«
Sie sah zum Hubschrauber. Ihr Leben lang hatte sie sich das hier gewünscht, in einem Hubschrauber mit dem amerikanischen Adler darauf von genau diesem Rasen abzuheben. Das Weiße Haus immer kleiner werden zu sehen und über das Washington Monument, The Mall und den Potomac hinwegzugleiten. In ihrer Fantasie hatte sich dieser magische Moment immer so wunderbar leicht angefühlt. Doch in diesem Moment empfand sie nur Verzweiflung und Trauer. Die Erfüllung ihres Traums würde sie zu einem Albtraumszenario führen. In das Gefängnis, das einem Schlachtfeld glich. Ein Polizeibeamter führte sie zum Hubschrauber und wies ihr einen Platz an. Hinter dem Piloten stand eine Krankenschwester und nickte ihr zu. Warum war sie dabei? Befürchtete man, Doggie würde komplett zusammenbrechen, wenn sie ihren Vater sah? Die Sorge war durchaus berechtigt.
Doggie setzte sich. Die frische Morgenluft und der Schlafmangel ließen sie frösteln. Sie zog die auf dem Platz neben ihr ausgebreitete Wolldecke an sich und erschrak, denn unter der Decke saß Wesley und schlief. Er war blass, die Haare fielen ihm ins Gesicht. Am liebsten hätte Doggie seine starken Arme berührt, doch da fielen ihr die Kanüle in seiner Vene auf und der Schlauch, der zu einem Beutel an der Wand führte.
Sie sah zur Krankenschwester.
»Es geht ihm gut«, sagte die. »Natürlich ist er müde, aber er hat
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