Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

liegt Ihr Wettvorteil. Der Sieger dieses Rennens war Approval, der 55 kg trug und bei einer Morning Line von 7:2 als Zweiter des Konsens mit 7:2 an den Start ging.
    Nehmen wir das siebte Rennen, im Grunde ein Zweipferderennen, alle anderen traten mit hohen Quoten an. Voilà: Messenger of Song, den die 17 führenden Experten auf Platz 1 setzen, wird vom Bahnexperten auf Platz 2 gesehen. Der Zweite des Konsens, Fly American, bekommt eine Morning Line von 8:5. Zuerst steht Messenger of Song mit 8:5 am Totalisator und Fly American mit 2:1. Als die Wetten durch sind, steht Fly American, der Zweite des Konsens, pari , und Messenger startet mit 9:5. Fly American als das einzige Pferd, das beim Start unter seinem Konsenswert liegt, ist mit pari der Idiotentipp! Er endet abgeschlagen als Zweiter hinter Messenger mit 9:5. Logisch. Simple Logik.
    Ich kenne einen alten Hasen, der auf der Bahn Erfolg hat, obwohl er sich außer einem Rennprogramm nichts kauft. Keine Form , keine Zeitungen, gar nichts. Er setzt lediglich auf die Pferde, bei denen die Quote stimmt. Nichts, was nicht zusammenpasst. Keine starken Abweichungen von den erwarteten Quoten, alles nur nach seinem Wert. Er kommt zurecht.
    Auf der Rennbahn gibt es keine Schnäppchen. Pferde, die eine 6er Morning Line haben und mit 10:1, 12:1 oder 13:1 starten, siegen nicht. Pferde mit einer Morning Line von 10 oder 12:1, die mit 5:1 oder 9:2, 4:1 oder 7:2 starten, gewinnen auch nicht. Der Einsatz sollte sich nach der (am besten etwas zu niedrigen) Quote und der Konsens-Bewertung des Pferdes richten. Die Gäule, bei denen das nicht zusammengeht, landen unter ferner liefen.
    Natürlich kann jedes Pferd mal gewinnen, war alles schon da, aber hier geht es darum, was meistens passiert und weiterhin passieren wird. Ich habe tausende Pferderennen gesehen, und man hält sich an die Gesamtresultate all dieser Rennen. Was die Leute schafft, ist die halbstündige Wartezeit zwischen den Läufen und die Erinnerung an das letzte Rennen. Das letzte Rennen halten sie für das Wahre, weil es noch ganz frisch ist, und auch wenn es ein Ausnahmerennen mit einem Ausnahmeergebnis war, orientieren sie sich daran.
    Richtiges Wetten auf Pferde ist eine Charakterangelegenheit. Mein Spruch dazu lautet: Wer auf der Rennbahn gewinnt, schafft alles, was er sich in den Kopf setzt. Ein Mann wie Hemingway erlebte beim Stierkampf und im Krieg Augenblicke der Wahrheit. Ich erlebe Augenblicke der Wahrheit sowie Konsequenz und Stil auf der Rennbahn und am Boxring. Alles hängt davon ab, welche Ideale man hat.
    Auf der Rennbahn entdecke ich große Löcher in meinem Charakter. Manchmal bilde ich mir ein, ich bin ganz gut, und dann fahre ich da raus und stelle fest, dass es mir an Konsequenz fehlt. Und Wissen, das man nicht konsequent umsetzt, schadet einem mehr, als wenn man keine Ahnung hat.
    Eins muss ich hier einschieben, weil es wichtig ist, wenn Sie sich beim Wetten an meine Empfehlungen halten, denn es gibt eine Art Rennen, die andersherum funktioniert. Das sind die Maidenrennen für Zweijährige, die noch nie gelaufen sind. Bei diesen Rennen siegt das Pferd, das beim Start unter seiner Morning Line und unter seiner Konsens-Bewertung liegt. Das ist das Pferd, das in 95 Prozent dieser Rennen siegt, aber sie stehen nur selten auf dem Programm. Wenn aber doch, wissen Sie jetzt Bescheid.
    Der Grund, warum ich diese Geheimnisse so gelassen ausplaudere, ist der, dass ich weiß, wie die Menschen sind. Sie werden meine Tipps nicht annehmen, Sie werden denken, ich will Sie reinlegen. Jeder und jede muss aus dem eigenen Schaden klug werden. Davor kann Sie nichts, was ich sage, bewahren. Sie werden trotzdem da rausgehen und sich in die Hose machen. Und es wird Rennen geben, die kein Mensch versteht, sogar ganze Renn tage .
    Ein Freund von mir hat mal seine Frau mit auf die Rennbahn genommen. Den ganzen Abend hatte er sich vorbereitet. Er kannte sämtliche Fallstricke, er hatte jede Menge Erfahrung, aber dieser eine Tag, der einzige, an dem er jemals seine Frau mit auf die Rennbahn nahm, war ein Ausnahmetag. Sie landete einen 22:1-Treffer im ersten Rennen, weil das Pferd so hieß wie der Hund ihrer Tante Edna. Das zweite Rennen ließ sie aus, aber im dritten gewann sie, weil das Pferd so hieß wie das Lied, das ihr Bruder immer sang, wenn er betrunken war. Es brachte ihr $ 62,80. Sie ließ noch ein paar Rennen aus und gewann gegen Ende $ 78,40 mit einer Wette auf ein Pferd, das hieß »wie mein erster