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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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manchen Zahnprothesen steckte.
    Ich fuhr sie zu Elbert, und sie stieg aus. Sie kam um den Wagen herum auf die Fahrerseite, beugte sich durchs Fenster und gab mir ein winziges Küsschen, feucht, mit genau richtig dosierter Zungenspitze.
    »Wiedersehn, Opi«, sagte sie.
    Dann sah ich zu, wie sie über die Straße zu Elberts Wohnung ging und die Kaskade roten Haars ihr den Rücken runterfloss bis fast zum Hintern – diesen Backen, die auf und ab, auf und ab, auf und ab wippten.
    Die Natur war doch immer besser als die Kunst. Alt zu sein war wirklich die Hölle, und es tat mir in meiner Restseele weh.
    Schon war Nina auf der Treppe, die zum ersten Stock und zu Elberts Wohnung führte.
    Ich liebte sie. Aber ich konnte nichts machen. Doch: Ich ließ den Motor an und fuhr davon.
    An der Ecke Franklin und Vermont gab es einen verrückten alten Zeitungsverkäufer. Er sprang direkt vor meinem Wagen auf die Straße und fuchtelte mit einer Zeitung. Ich stieg auf die Bremse und verfehlte ihn knapp. Er stand da, und wir sahen uns durch die Windschutzscheibe an. Dieser Zeitungsverkäufer: Sein Gesicht war ausdruckslos; er sah aus wie van Gogh, Sonnenblumen, Stühle, die Kartoffelesser. Er machte Platz, und ich fuhr nach Hause, dahin, wo ich mich schon bald ordentlich vollsaufen würde, während Elbert seinen Viertelmeter einfuhr.

Wie es geschah
    Draußen regnete es, aber man hörte den Regen nicht, der Vernehmungsraum war schalldicht. Sanderson saß unter der grellweißen Lampe. Es war wie eine Filmszene. Die Agenten waren zu zweit. Der eine war dick und schlecht gekleidet, abgestoßene Schuhe, schmutziges Hemd, zerknautschte Hose – er hieß Eddie. Der andere war dünn, elegant gekleidet, die Schuhe blitzblank, die Hose gebügelt, das Hemd neu und frisch – er hieß Mike. Sanderson saß da im Unterhemd, einer alten Jeans und ausgelatschten Tennisschuhen.
    Eddie ging auf dem Betonboden hin und her. Mike saß auf einem Stuhl. Er starrte Sanderson an. Sanderson saß vor dem Vernehmungstisch. Das Tonbandgerät lief.
    Eddie hörte auf herumzulaufen, blieb vor Sanderson stehen.
    »Warum haben Sie die Briefe an den Präsidenten geschrieben?«
    Sanderson schüttelte müde den Kopf. »Wie ich schon sagte: Das Land ist in Gefahr, die ganze Erde ist in Gefahr.«
    Eddie holte Luft, wobei er den dicken Bauch anderthalb Zentimeter einzog. Dann atmete er aus, und der Bauch fiel wieder anderthalb Zentimeter vor, wenn nicht mehr.
    »Stimmt es, dass Sie zweimal wegen Kindesmissbrauch verurteilt worden sind?«
    »Ein gewisser Harold L. Sanderson ist deshalb verurteilt worden.«
    »Machen Sie sich bloß nicht mausig! Zweimal, ja?«
    »Zweimal.«
    Mike beugte sich auf dem Stuhl vor. Seine linke Gesichtshälfte zuckte einmal kurz. Dann hielt sie still.
    »Die Zukunft der Erde liegt Ihnen am Herzen, was, Sanderson? Sie möchten weiter so kleine Mädchen um sich haben, nicht?«
    »Ich mag Kinder gern –«
    Mike kam halb aus seinem Stuhl hoch. »Lass die Witze , du Drecksack !«
    Eddie drückte Mike auf den Stuhl zurück. »Sachte. Uns geht’s doch um was anderes.«
    »Mir gehen diese Hirnis einfach gegen den Strich. Ein Hirni, ein Verrückter ist das, weiter nichts.«
    »Wie damals Oswald. Und John Wilkes Booth auf seine Art auch. Wir haben Order, uns den hier genau anzusehen.«
    »Ich will den Präsidenten nicht umbringen. Ich will ihn retten.«
    »Klappe!«, sagte Mike. »Du hast nur zu reden, wenn wir dich was fragen.«
    »Weißt du, wie die Knaster diese Typen nennen?«, fragte Eddie Mike. »›Kifis‹ nennen sie die, und sie wissen mit ihnen umzugehen.«
    »Hört mal«, warf Sanderson ein, »kann ich eine Zigarette haben?«
    Eddie zog eine aus seiner Packung und rammte sie Sanderson beinah in den Mund. Dann warf er sein Feuerzeug auf den Tisch.
    »Selbst ist der Mann.«
    Sandersons Hände zitterten, als er sich die Zigarette anzündete.
    Eddie ging zur Südseite des Raums, drehte sich auf dem Absatz um und stellte sich wieder vor Sanderson.
    »Okay«, sagte er, »gehen wir das Ganze noch mal durch. Für die Akten.«
    Sanderson zog an seiner Zigarette.
    »Na ja, die Welt soll erobert werden.«
    »Von wem?«, fragte Eddie. »Kakerlaken? Flöhen? Nutten?«
    »Von Außerirdischen.«
    »Außerirdischen?«
    »Ja, sie sind schon überall, sie warten nur.«
    »Okay, Kifi«, sagte Mike, »und wo warten sie?«
    »Tja, sie haben die Körper der Tiere übernommen, der Vögel, der Fische, sogar der Insekten, und da verstecken sie sich.«
    Mike

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