Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
Quelle.
    Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika fiel vornüber auf seinen Schreibtisch, als überall auf Erden die Wesen aus dem Weltraum in den Weltraum zurückkehrten, die Spinnen wieder Fliegen fingen und ihnen das Blut aussaugten, die Katzen wieder Vögel jagten und die Hunde wieder Katzen scheuchten und die Boa constrictors wieder Mäuse und Ratten fraßen und die Falken wieder Hasen stellten – nur eine Zeit lang, nur für ein Weilchen.

Zeit rumbringen
    … Als ich zurück in die Bar kam, war die Meute praktisch ausgewechselt bis auf Monk, der mit hochgerollten Ärmeln dasaß und seine Oberarmmuskeln zur Schau stellte. Irgendwas stimmte mit den Muckis nicht, sie sahen nicht gesund aus – dick schon, aber irgendwie krank.
    Ich schaute mich um. Es war ein Kneipenabend, der flattrige, verzweifelte Versuch eines Kneipenabends für alle hier auf den Barhockern. Besser kriegten wir es nicht hin. Und auch die Bar war gut, denn sonst gab es keine für uns. Woanders hätten wir einfach nicht hingepasst.
    Ich setzte mich auf meinen Hocker und bestellte einen Whiskey und ein Bier dazu. Das war der Sinn, der Zweck, die Frucht am Baum, die Blüte am Stengel. Es war der Sieg. Und nach einem Sieg brauchte man den nächsten.
    Nun, ich langweilte mich da nicht, aber ich langweilte mich nirgends. Und einsam war ich auch nicht. Deprimiert und lebensmüde manchmal, aber das war nicht dasselbe. Einsam sein hieß, man brauchte jemanden. Ich brauchte keinen. Mir genügte es, wenn sie mir nicht die Luft zum Atmen nahmen. Warum saß ich mit ihnen in der Kneipe? Ich beobachtete sie. Es war ein schlechter Film, aber es war der einzige, der lief, und auf meine kleine Rolle konnte ich mir wirklich nichts einbilden.
    Monk mit den hochgekrempelten Ärmeln grinste mich an.
    »He, Hank, gibst du mir einen aus?«
    »Wenn ich beim Frisör war.«
    »Hey, so lange leb ich nicht!«
    Ein paar Gäste lachten.
    »Mach ihm ein Glas«, sagte ich zu Jim.
    Schon brüllten drei oder vier andere: »Und was ist mit mir?«
    Ich sah Jim an. »Denen auch.«
    Ein Hochruf ließ die Wände zittern.
    Hier konnte man es aushalten. Man stumpfte ab, bis man alles hinnahm, was kam. Das machte einen kleiner, aber wer brauchte mehr? Wenn man das Gefühl hatte, mehr zu brauchen, fing der Ärger an: Man dachte darüber nach, was zwischen Scheißhaus und Grab zu tun wäre.
    Ich gab noch ein paar Runden aus. Die Zeit kam ins Stocken. Sie fing an zu gaukeln. Schmetterlingsflügel.
    Jim verschwand, und Eddie, der Barmann für die Nachtschicht, löste ihn ab. Ein paar Frauen kamen, alt, verrückt oder beides. Doch die Stimmung veränderte sich. Sie waren Frauen. Es wurde mehr ein Maskenball. Kaimane , Schnabelkrokodile, Iguanas, Geckos, Moloche, Glattechsen und Brückenechsen saßen jetzt auf den Hockern. Wir beobachteten ihre dick angemalten Münder, wenn sie sich Zigaretten ansteckten, lachten oder ihre Drinks hinunterkippten. Ihre Stimmen waren stumpf, als hätten sie ihre Stimmbänder versoffen, und die verfransten Haare hingen ihnen runter, und manchmal – selten nur, im Neonnebel – wenn sie den Kopf drehten, waren sie fast wieder jung und schön, worauf wir uns alle besser fühlten, lachten und beinah einfallsreiche Sprüche von uns gaben. Der Traum war zum Greifen nah. Und wenn nicht, dann war er’s mal gewesen.
    Manche Augenblicke konnten so sein. Und allen ging es gut, man merkte, wie es um sich griff: Wir waren endlich wer, alle waren schön und toll und unterhaltsam, und jeder Augenblick erstrahlte hell und unverbraucht. Man spürte es wirklich.
    Dann – hörte es auf. Einfach so.
    Anscheinend spürten es alle gleichzeitig. Jede Unterhaltung brach ab. Einfach so. Zack. Wir saßen nur noch unnütz herum. Still. An sich ist Stillsein in Ordnung. Aber nicht so. Wir fühlten uns betrogen. Saftlos. Glücklos. Festgefahren. Nackt.
    Das dauerte einige Zeit. Zu lange. Es war peinlich.
    »Ja, Scheiße«, meinte schließlich jemand, »mach mal einer ’s Licht an.«
    Worauf dann wieder Leben und Bewegung in den Laden kam. Zigaretten anzünden. Lippenstift auflegen. Pissen gehen. Alte Witze mit neuer Pointe. Lügen. Kleine Drohungen. Die Fliegen erwachten und trudelten durch die blaugraue Luft.
    Ich weiß nicht, wie es dazu kam, aber mir schien, dass Monk mich dauernd anstarrte, auf mich runtersah, und das nervte mich. Hatte er nichts Besseres zu tun? Ich nehme an, er wollte nur freundlich und witzig sein, aber von beidem verstand er nichts, und obwohl

Weitere Kostenlose Bücher