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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Schritten stürmte er die Stufen hinauf, ohne zu merken, dass er seine goldene Horus-Kette dabei verlor. Der schützende Falke fiel lautlos durch die Metallstufen in die Tiefe.
    Kurz bevor er den Laufgang erreichte, blieb er stehen und lehnte sich geduckt im Schatten des Treppengangs gegen die Wand, um schnell Luft zu holen. Sein Atem flog, sein Herz pumpte wild und schoss Adrenalin ins Blut. Doch er brauchte eine ruhige Hand. Er würde nicht viele Schüsse abfeuern können. Vielleicht nur einen einzigen.
    Sein Griff um die Pistole wurde härter, als er plötzlich ein Geräusch hörte und mit der Waffe im Anschlag auf den schmalen Türausschnitt zielte, der keine zwei Meter von ihm entfernt war. Mansfield atmete flacher und konzentrierte sich auf die halb dunkle …ffnung, schussbereit, falls der Fremde auftauchen würde.
    Ein Schatten. Jemand näherte sich der Tür. Aber war es Karen oder der Fremde? Der Schatten bewegte sich gleichmäßig und Mansfield erkannte nun, dass es die Silhouette einer Frau war, die mit leicht erhobenen Händen langsam rückwärts ging. Für eine Sekunde senkte er die Waffe, als Karen an seinem Versteck vorbeiging, doch im nächsten Moment hielt er die Pistole entschlossen mit beiden Händen fest und sprang mit einem einzigen Satz auf die Galerie. Breit baute er sich zwischen Karen und dem Fremden auf, der einen Augenblick lang überrascht war. Der Fremde schoss nicht, sondern zielte mit aufreizender Langsamkeit auf Mansfield, während sich ein gemeines siegessicheres Grinsen auf seinem Gesicht breit machte.
    Mansfield wich keinen Millimeter zurück.
    Wie zwei Königskobras standen sich die beiden Männer sekundenlang regungslos gegenüber und zielten mit schussbereiten Waffen aufeinander. Aber da war irgendetwas, das beide am Schießen hinderte. Es war wie eine unsichtbare Macht, eine gegenseitige tödliche Faszination, der sie sich nicht entziehen konnten.
    Ein Stöhnen hinter seinem Rücken ließ Mansfield aufhorchen.
    »Verschwinde, Karen! Sofort!«, schrie er.
    Sie wollte ihm widersprechen, aber er schrie erneut: »Hau ab, verdammt noch mal.«
    Sie zögerte immer noch. »Bitte … bitte komm mit mir!«, flehte sie mit bebender Stimme.
    Aber Mansfield wusste, dass es keine Chance gab, die Galerie gemeinsam zu verlassen. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
    »Hau endlich ab«, wiederholte er. »Ich weiß, was ich tue.«
    In Karens Kopf wirbelte es und um sie herum schien sich alles zu drehen: das schwarze Eisengeländer, die leeren Schaufenster gegenüber und die alte Milchglaslampe unten im Hof. Sie hatte das schreckliche Gefühl, Michael nie wieder zu sehen. Doch da spürte sie das kleine ägyptische Amulett in ihrer Hosentasche, und ein unheimliches rasendes Brennen schoss ihre Wirbelsäule hinauf. Das Kribbeln aktivierte jeden einzelnen Nerv in ihrem Körper, und mit einer geradezu irrsinnigen Klarheit wusste sie auf einmal, was sie zu tun hatte.
    Links von ihr bemerkte sie eine zweite Treppe, die sie in den Hof führen würde. Sie musste das Amulett vor dem Fremden schützen.
    Um jeden Preis.
    Um jeden Preis?
    Ein letztes Zögern, ein letzter Blick auf Michael, dann verließ sie die Etage und stolperte die dunkle Treppe hinunter.
    Über ihr atmete Mansfield erleichtert auf, als er ihre Schritte auf den Stufen hörte. Seine Hände begannen zu schwitzen. Konnte er diesen Mann aufhalten? Lucass’ Gerede kam ihm in den Sinn. Die gesamte Pariser Unterwelt hatte sich von diesem Mann fern gehalten – aus Angst.
    Der Fremde beobachtete ihn gelassen mit vorgehaltener Pistole und grinste süffisant, als könnte er Mansfields wirre Gedanken lesen. Er schien die Szene in der alten Galerie zu genießen, als wäre er Herr des Geschehens und Mansfield nur ein Statist, den er bewegen oder beiseite schieben konnte, wann immer er es wollte.
    »Da sind Sie ja endlich, Mansfield. Ich dachte schon, Sie kämen wieder zu spät.«
    Er zielte mit seiner Waffe genau auf Mansfields Kopf. Sie standen nur fünf Meter voneinander entfernt, jeder hatte den anderen genau im Visier, keiner würde ihn verfehlen. Trotzdem zögerten beide.
    »Spüren Sie schon den Tod, Mansfield? Er ist nicht mehr weit. Aber keine Angst, es wird schnell gehen.«
    »Halten Sie den Mund!«
    »Merken Sie nicht, wie Sie sich immer mehr verkrampfen? Sie sollten mir lieber aus dem Weg gehen.«
    »Ich stehe gern im Weg!«
    Das Gesicht des Fremden verzog sich plötzlich zu einer wütenden Grimasse, und ein uralter Hass schrie

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