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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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gleich einen ganzen Sack voll andrehen. Auf Pipikram stand da keiner. Zehn war Minimum, und selbst das war schon hart an der Grenze zur Peinlichkeit. In München auf jeden Fall. Bei zehn lachte einen in München ja sogar der Afrikaner aus dem Englischen Garten aus.
    Dabei ging dieses Geschäftsgebaren vollständig an den Realitäten einer modernen Gesellschaft vorbei, und genaudas war der Punkt, über den der Euro in diesem Moment nachdachte. Die meisten Menschen, so hatte er festgestellt, wollten nämlich nicht jeden Tag kiffen, sondern nur ab und zu. Ganz einfach, wenn es sich anbot. Und so was kam plötzlich. Auf einer Party, zum Beispiel. Oder bei einem Konzert. Oder vor dem Kino. Oder nach dem Kino. Oder beim Baden am See. Oder vor der Schule. Oder beim Chillen im Park. Oder, oder, oder. Genau das waren die Momente, in denen sich viele Menschen dachten: »Jetzt ein Joint, das wär’s!« Die Situation schuf das Bedürfnis, nicht umgekehrt.
    Der Euro hatte es oft genug erlebt. Und wenn das spontane Bedürfnis auftrat, aber mal wieder keiner was dabeihatte, dann mußte man erst mal einen Trottel finden, der so blöd war, die geliebte Geselligkeit im Sinne der Gruppe zu unterbrechen, um alleine loszuziehen, durch die ganze Stadt zu seinem Dealer zu fahren, einzukaufen, auf dem Rückweg an der Tanke noch schnell Papers zu besorgen und sich eine Stunde später wieder im Kreis der Freunde einzufinden, die ihn dann mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch blöd anblafften, warum das Ganze denn um Himmels willen bloß so lange gedauert habe. Nein, nein, so machte das Ganze keinen Spaß. Manche Bedürfnisse müssen sofort befriedigt werden. Andernfalls läßt man es lieber sein.
    »Es sei denn …«, dachte sich der Euro nun und blieb stehen. Mitten auf dem Bürgersteig und direkt unter einer Laterne. Und während die Menschen weiterliefen, an ihm vorbei und welchem Ziel auch immer entgegen, hatte er plötzlich das unbeschreibliche Gefühl, genau in dieser Sekunde da angekommen zu sein, wo er seit Stunden hinwollte. Plötzlich und völlig unerwartet stand er wie festgenagelt im Licht und hatte eine Idee. Na klar! Es war die Idee, mit der er die Kohle auftreiben konnte, die er für das Geschäft mit dem Lastwagen-Schorsch brauchte.
    Wenn seine Theorie stimmte, die er sich da in der letztenViertelstunde zusammengeschustert hatte, wenn es also stimmte, daß das Bedürfnis nach einem Joint von der Situation geschaffen wurde, dann bedeutete das im Gegenzug natürlich auch, daß man nur die Situationen suchen mußte, um das Bedürfnis zu finden. Ganz einfach. Und genial dazu, wie er fand. Daß er da nicht schon früher draufgekommen war! Lieber spät als nie, dachte er sich, ballte seine rechte Hand zur Becker-Faust, stieß einen Freudenjauchzer aus und lief weiter.

Zielgruppe.
    Die Idee ging so. Er würde sich hier in Amsterdam eine größere Menge an fertiggedrehten Joints kaufen, diese dann nach München schmuggeln und dort nach eben jenen Situationen suchen, die besagtes Bedürfnis schufen. Und dann – im Park, am See, auf Partys, vor dem Kino etc. – würde er nach Leuten Ausschau halten, die so aussahen, als könnten sie gerade dringend einen Joint vertragen. Und dann, so ging sein Konzept weiter, würde er den »Bedürftigen« ein Angebot machen, das absolut einmalig war und deshalb mit Sicherheit keiner ausschlagen konnte. Und dann würde es klingeln.
    Er hatte das Ganze schon deutlich vor Augen. »Habt ihr zufällig was zum Kiffen dabei?« würde er seine Zielgruppe am Anfang fragen. Und weil in München, das wußte er, eigentlich niemand jemals was zum Kiffen dabeihatte, hieße die Antwort zwangsläufig »Nein«. »Wollt ihr was kiffen?« lautete folgerichtig seine nächste Frage, und darauf, da war er sich hundertprozentig sicher, konnte die Antwort logischerweise nur noch »Ja, natürlich, auf der Stelle und sofort!« heißen. »Na, dann schaut mal, was ich hier Feines für euch habe!« würde er darauf dann sagen, mit spitzen Fingern in die Tasche greifen und von dort – mit großer Geste und breitem Grinsen –einen wunderschönen Joint hervorzaubern, appetitlich verpackt in einem Plastikröhrchen und allerfeinste Ware, selbstverständlich, noch dazu.
    Und dann würde es klingeln. Und zwar ordentlich, daran hatte der Euro keinen Zweifel. So sah es jedenfalls die Kalkulation vor, die er diesmal aufstellte. Er hatte sich mittlerweile auf eine Bank gesetzt, zur Feier seiner Genialität das mitgebrachte Tütchen

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