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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Brust. »Passen Sie bloß auf sich auf. Morgen komme ich wieder her. Bleiben Sie sauber bis dahin, okay?«
    »Okay.«
    Doktor Anne wartete, während er Stiefel und Jacke anzog. Draußen herrschte wildes Schneetreiben. Russ’ Pick-up war bereits von einer weißen Schicht bedeckt. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie ihr Gesellschaft leisten«, sagte Russ. »Sie ist so verdammt damit beschäftigt, sich um andere zu kümmern, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse völlig ignoriert.«
    Doktor Anne lächelte wissend. »Hm. Ja, die Sorte kenn ich.« Sie hielt inne, ihre Hüfte an die Wagentür gelehnt. »Chief? Ich möchte meine Nase nicht in fremde Dinge stecken, aber ich habe gehört, Clares Auto stand Mittwoch die ganze Nacht in Ihrer Einfahrt.«
    »Wie? Das ist doch lächerlich! Ich meine, ja, es hat dort gestanden, aber nur, weil’s schneite und ich sie heimgebracht habe.«
    Doktor Anne hob beruhigend ihre Hände. »Ich will ja auch nichts andeuten. Ich möchte Ihnen nur Bescheid sagen: Wenn ich so etwas gehört habe, dann andere Leute auch. Es ist eine kleine Stadt.«
    Russ riss energisch die Tür seines Pick-up auf. »Gott, ist das zu fassen! Wenn es die Leute so sehr interessiert, wo Clares Auto steht und fährt, dann kann uns hoffentlich jemand einen Tipp geben, wer wollte, dass es in eine Schlucht rast. Mit ihr als unfreiwilligem Passagier.«

27
    W ährend die letzten Töne des Kommunionsliedes verklangen, betrachtete Clare ihre Gemeinde und fragte sich, ob einer von denen, die sie ansahen, ihr den Tod wünschte. Alyson Shattham und deren Mutter waren auf ihren Stammplätzen, aber die Fowlers, die sonst in der Nähe saßen, fehlten heute. Und auch die Burns. Sterling Sumner funkelte Clare voll stiller Wut an, während Doktor Anne, die ihr gestern Abend vehement vom Zelebrieren der Neun-Uhr-Messe abgeraten hatte, besorgt die Stirn runzelte.
    Ronnie Allbright, ihr Ministrant, blätterte eine Seite in dem prunkvollen Messbuch um, das auf einer Buchstütze am Altar lag. Clare warf einen Blick in das Gebet, holte tief Luft und konzentrierte sich auf den klaren Fluss der Worte. »Allmächtiger Gott«, begann sie, während die Gemeinde brummend mit einstimmte, »wir danken dir für das kostbare Fleisch und Blut deines Sohnes Jesus Christus …« Sie kannte dieses Gebet in-und auswendig. Es gab ihr Halt und Sicherheit, sodass sie, als sie ihre Hände zum Segen erhob, ehrliche Zuneigung für sie alle empfinden konnte.
    Martin Burr griff in die Tasten und pumpte die Anfangstöne von »Am Jordan weinen die Täufer« aus den Orgelpfeifen. Die Kerzen-und der Kreuzträger versammelten sich für die Schlusszeremonie vor dem Altar, und Clare blickte gerade rechtzeitig von ihrem Gesangbuch auf, um zu sehen, dass sich das Innenportal am anderen Ende der Kirche öffnete. Russ Van Alstyne kam hereingeschlüpft, und durch die gesamte Länge des Kirchenschiffs begegneten seine Augen den ihren.
    Clares Gefühl von Sicherheit und Ausgeglichenheit löste sich in Luft auf. Sie schloss sich als Letzte der Auszugsprozession an und zuckte bei jedem Schritt zusammen, der den Schmerz in ihren beiden Füßen verstärkte. Damit ihr das Lied nicht entfallen würde, das sie von klein auf auswendig kannte, richtete sie ihren Blick in das Gesangbuch. Das Lied endete, und eine Pause entstand, da sie für einen Sekundenbruchteil die einfachen Worte zur Entlassung der Gemeinde nicht sagen konnte. Sie hatte Alyson Shatthams Hinterkopf entdeckt: schwarz glänzendes, perfekt frisiertes Haar. Dann endlich platzte es aus ihr heraus: »Gehet hin in Frieden, den Herrn zu lieben und ihm zu dienen. Halleluja, halleluja«, und sie eilte auf das Portal zu, noch während die Gemeinde mit »Halleluja« antwortete.
    »Was suchen Sie hier?«, fauchte sie Russ an.
    »Ich möchte mit Alyson reden«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Und Sie? Was laufen Sie denn schon wieder herum? Wie geht’s Ihren Füßen?«
    »Sie tun weh. Aber nicht so schlimm, um die Eucharistie ausfallen zu lassen. – Warum hier?«
    »Weil ich will, dass sie sich wohl genug fühlt, um auszupacken. Wenn Sie wüssten, wie viele Leute dichtmachen und einen Anwalt verlangen, wenn man sie aufs Revier schafft!«
    »Dieses System der Trennung von Staat und Kirche hat für Sie wohl wenig Belang, wie?«
    »Ich glaube, das Kirchenasyl ist schon vor ein paar Jahrhunderten abgelaufen.«
    Einer der Küster drängte sich an ihnen vorbei. »’tschuldigung, Reverend, aber ich muss die Türen

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