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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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klammert man sich fest, man will nicht, daß es aus ist, man versteift sich starrköpfig auf das Schaffen wie die Greise auf die Liebe, mühsam, schändlich … Ach, man müßte den Mut und den Stolz haben, sich angesichts seines letzten Meisterwerkes zu erdrosseln.« Er hatte sich hoch aufgerichtet, brachte die hohe Decke des Ateliers zum Erbeben, wurde von einer so starken Erregung erschüttert, daß Tränen in seine Augen traten. Und er sank vor seinem Gemälde wieder auf einen Stuhl, er fragte mit der besorgten Miene eines Schülers, der es nötig hat, daß man ihm Mut macht: »Also wirklich, ihr haltet das für gut? – Ich persönlich wage nicht mehr zu glauben. Mein Unglück muß wohl sein, daß ich gleichzeitig zuviel und zuwenig kritischen Sinn habe. Sobald ich mich an eine Studie mache, begeistere ich mich dafür; wenn sie dann kein Erfolg ist, zermartere ich mich. Ich möchte lieber überhaupt nicht hinsehen, wie dieser Tölpel, der Chambouvard, oder doch sehr genau hinsehen und nicht mehr malen … Also sagt offen, mögt ihr dieses kleine Gemälde?«
    Claude und Jory verharrten reglos, verwundert, verlegen angesichts dieses Schluchzens in großen Geburtswehen. Zu welchem Zeitpunkt der Krise waren sie denn gekommen, daß dieser Meister vor Leid aufheulte und sie um Rat fragte wie Kumpel? Und das schlimmste war, daß sie ein Zaudern nicht hatten verbergen können unter dem Blick der glutvollen, tränenverquollenen Augen, mit denen er sie anflehte, der Augen, in denen die verborgene Angst vor seinem Absinken zu lesen war. Sie kannten sehr wohl das Gerede, sie teilten die Ansicht, daß der Maler seit seiner »Hochzeit auf dem Dorfe« nichts mehr gemacht hatte, was an dieses berühmte Bild heranreichte. Aber nachdem er sich in einigen Bildern noch auf der Höhe gehalten hatte, glitt er nun ab in eine kunstvollere und saftlosere Faktur. Der Glanz verging, jedes Werk schien schwächer zu werden. Aber das waren Dinge, die man nicht sagen konnte, und als Claude sich wieder gefaßt hatte, rief er aus:
    »Sie haben niemals etwas so Gewaltiges gemalt!«
    Bongrand schaute ihm noch unverwandt in die Augen. Dann drehte er sich zu seinem Werk um, versank in Sinnen, machte dann mit seinen beiden Herkulesarmen eine Bewegung, als hätte er seine Knochen zum Krachen gebracht, um dieses kleine, leichte Gemälde hochzuheben. Und er murmelte, zu sich selber sprechend:
    »Himmelsakrament! Wie schwer das ist! Einerlei, ich werde eher meine Haut dabei lassen, als daß ich runter komme!« Er nahm wieder seine Palette, beruhigte sich gleich beim ersten Pinselstrich, wölbte seine Schultern, die Schultern eines biederen Mannes, in dessen breitem Nacken noch die hartnäckige Sturheit des Bauern steckte, trotz der Kreuzung mit der bürgerlichen Verfeinerung, deren Produkt er war.
    Schweigen war eingetreten.
    Jory, der noch immer auf das Bild starrte, fragte schließlich:
    »Ist es verkauft?«
    Als ein Künstler, der arbeitete, wenn ihm danach zumute war, und der sich um den Verdienst keine Sorge machte, ließ sich der Maler Zeit mit der Antwort.
    »Nein.. Das lähmt mich, wenn ein Händler hinter mir steht.« Und ohne mit Arbeiten aufzuhören, fuhr er fort, aber jetzt in spöttelndem Ton: »Ah, man beginnt ein Geschäft aus der Malerei zu machen! – Tatsächlich habe ich, der ich doch uralt bin, so was noch nicht erlebt … So haben Sie, netter Zeitungsmann, den Jungen Blumen gestreut in diesem Artikel, in dem Sie mich auch nennen! Es kamen zwei oder drei Jüngere drin vor, die rundweg genial waren.«
    Jory fing an zu lachen.
    »Na klar! Wenn man eine Zeitung hat, so doch, um sich ihrer zu bedienen. Und außerdem liebt es das Publikum, daß man große Männer für es entdeckt.«
    »Gewiß, die Dummheit des Publikums kennt keine Grenzen, von mir aus können Sie sie gern ausbeuten … Bloß, ich erinnere mich daran, wie wir damals angefangen haben, wir … Verflixt! Wir waren nicht verwöhnt, wir hatten zehn Jahre Arbeit und Kampf vor uns, bevor wir uns auch nur mit so’n bißchen Malerei behaupten konnten … Während jetzt der erste beste Stutzer, der wirkungsvoll Männerchen zu malen versteht, alle Reklametrompeten erdröhnen läßt! Und was für eine Reklame! Ein Heidenspektakel von einem Ende Frankreichs zu anderen, plötzlicher Ruhm, der über Nacht emporsprießt und der aufblitzt inmitten des Maulaffen feilhaltenden Volkes. Von den Werken gar nicht zu reden, armseligen Werken, die mit Artilleriesalven in einer wahnsinnigen

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