Das Werk - 14
Ungeduld erwartet werden und für acht Tage Paris in Raserei versetzen und dann für immer und ewig der Vergessenheit anheimfallen!«
»Sie haben viel auszusetzen an der Presse«, erklärte Jory, der sich auf dem Diwan ausgestreckt hatte und sich eine neue Zigarre anzündete. »Es läßt sich Gutes und Schlechtes über die Presse sagen, aber man muß mit der Zeit gehen, zum Teufel!«
Bongrand schüttelte den Kopf, und unter ungeheurem Gelächter legte er wieder los:
»Nein, nein! Man kann heutzutage nicht mehr die unbedeutendste Sudelei auf die Menschheit loslassen, ohne ein junger Meister zu werden … Mir, seht ihr, mir machen eure jungen Meister Spaß!« Aber als habe sich in ihm eine Ideenverbindung vollzogen, beruhigte er sich, er wandte sich Claude zu, um folgende Frage zu stellen: »Was ich sagen wollte, und Fagerolles, haben Sie sein Bild gesehen?«
»Ja«, antwortete der junge Mann lediglich.
Beide schauten sich weiter an, ein unbezwingliches Lächeln war auf ihre Lippen gestiegen, und Bongrand fügte schließlich hinzu:
»Und das ist einer, der Sie ausplündert!«
Vor Verlegenheit hatte Jory die Augen gesenkt und fragte sich, ob er Fagerolles in Schutz nehmen sollte. Zweifellos erschien es ihm vorteilhaft, das zu tun, denn er lobte das Bild, diese Künstlerin in ihrer Garderobe, dessen Reproduktion damals viel Erfolg hatte und in allen Schaufenstern lag. War das Thema denn nicht modern? War es nicht hübsch gemalt in der hellen Farbskala der neuen Schule? Vielleicht wäre mehr Kraft wünschenswert gewesen; allein man mußte jedem sein Wesen lassen; außerdem liegen Liebreiz und Vornehmheit nicht auf der Straße herum.
Bongrand, der sonst nur väterliche Lobsprüche über die Jungen von sich gab, zitterte, über sein Gemälde gebeugt; er mußte sich sichtlich anstrengen, nicht loszuplatzen. Aber wider seinen Willen brach es aus ihm heraus:
»Lassen Sie mich doch in Frieden mit Ihrem Fagerolles! Sie halten uns also für dümmer als die Natur! – Da, sehen Sie den großen Maler hier! Ja, diesen jungen Herrn da, der vor Ihnen steht. Nun schön, der ganze Trick besteht darin, ihm seine Eigenart zu stehlen und sie der schalen Tunke der Ecole des BeauxArts anzupassen. Jawohl! Man nimmt was Modernes, man malt in hellen Farben, aber man behält das abgedroschene korrekte Zeichnen, die angenehme Komposition bei, in der alle Welt malt, kurzum das Rezept, das dort gelehrt wird, wie man Spießern Freude macht. Und man verwässert das Ganze mit Gewandtheit, oh, mit jener gräßlichen Gewandtheit der Finger, die ebensogut Kokosnüsse schnitzen würden, mit dieser glatten, gefälligen Leichtigkeit, die Erfolg macht und die mit Zuchthaus bestraft werden sollte, hört ihr!« In seinen beiden geballten Fäusten schwenkte er seine Palette und seine Pinsel durch die Luft.
»Sie sind streng«, sagte Claude verlegen. »Fagerolles hat wirklich eine bestimmte Feinheit der Pinselführung.«
»Man hat mir erzählt«, murmelte Jory, »daß er soeben einen sehr vorteilhaften Vertrag mit Naudet abgeschlossen hat.«
Bei diesem in die Unterhaltung geworfenen Namen ging Bongrand wiederum hoch, wiegte die Schultern und wiederholte immerzu:
»Aha, Naudet … Aha, Naudet …« Und er erzählte ihnen viel Spaßiges von Naudet, den er gut kannte.
Es war dies ein Händler, der seit ein paar Jahren den Bilderhandel umkrempelte. Das war nicht mehr das alte Spiel von Vater Malgras mit seinem speckigen Gehrock, der mit so feinem Geschmack die Gemälde von Anfängern ausmachte, sie für zehn Francs erstand, um sie für fünfzehn Francs weiterzuverkaufen; nicht mehr der ganze alte Trott des Kenners, der vor dem begehrten Werk einen Flunsch zog, um es herabzusetzen, im Grunde für die Malerei schwärmte und seinen armseligen Lebensunterhalt durch den schnellen Umschlag seiner paar Sous Kapital in vorsichtigen Unternehmungen verdiente. Nein, der berühmte Naudet trat wie ein Aristokrat auf mit extravagantem Jackett, eine Brillantnadel in der Krawatte, pomadisiert, geschniegelt und gebügelt; großer Lebensstil, mit monatweise gemietetem Wagen, Sessel in der Oper, reserviertem Tisch bei Bignon75, verkehrte überall, wo es vornehm war, sich zu zeigen. Ansonsten ein Spekulant, ein Börsenjobber, dem die gute Malerei gründlich egal war. Er hatte eine einzigartige Witterung für den Erfolg, er ahnte, welchen Künstler man lancieren mußte: nicht den, der das umstrittene Genie eines großen Malers verhieß, sondern den, dessen lügnerisches,
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