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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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beschuldigen! Mich, den die Unvollkommenheit seiner Werke bis in den Schlaf verfolgt! Mich, der ich meine Seiten am Abend vorher niemals überlese, weil ich fürchte, sie so abscheulich zu finden, daß ich dann nicht mehr die Kraft zum Weitermachen habe! – Ich arbeite, ach, gewiß, ich arbeite! Ich arbeite, wie ich lebe, weil ich dazu geboren bin; aber geh mir doch, ich bin deswegen nicht froher, niemals bin ich mit mir zufrieden, und es gibt immer den großen Katzenjammer am Schluß!«
    Eine schallende Stimme unterbrach ihn, und Jory erschien, der hell entzückt war vom Dasein, und erzählte, er habe soeben einen alten Artikel für die Lokalnachrichten überarbeitet, um mal einen freien Abend zu haben.
    Fast unmittelbar darauf trafen plaudernd Gagnière und Mahoudeau ein, die sich an der Tür getroffen hatten. Gagnière, der sich seit einigen Monaten eingehend mit einer Farbentheorie befaßte, erläuterte Mahoudeau sein Verfahren.
    »Ich trage meinen Farbton auf«, fuhr er fort. »Das Rot der Fahne verschießt und vergilbt, weil es sich vom Blau des Himmels abhebt, dessen Komplementärfarbe, das Orange, mit dem Rot eine Verbindung eingeht.«
    Interessiert stellte ihm Claude einige Fragen, da brachte das Dienstmädchen ein Telegramm.
    »Gut!« sagte Sandoz, »das ist von Dubuche, der entschuldigt sich, er verspricht, uns gegen elf Uhr zu überraschen.«
    In diesem Augenblick öffnete Henriette die Tür angelweit und meldete selber, daß das Abendessen angerichtet sei. Sie hatte nicht mehr ihre Küchenschürze um, sie drückte als Dame des Hauses fröhlich die Hände, die sich ihr entgegenstreckten. Zu Tisch! Zu Tisch! Es war halb acht Uhr, die Bouillabaisse konnte nicht warten. Als Jory zu bemerken gab, daß Fagerolles ihm geschworen hatte, er werde kommen, wollte man nichts davon hören: der machte sich ja allmählich lächerlich, der Fagerolles, wie der sich als junger, mit Arbeiten überhäufter Meister aufspielte.
    Das Speisezimmer, in das man hinüberging, war so klein, daß man, da unbedingt das Klavier mit hinein sollte, eine Art Alkoven in ein stockfinsteres Gelaß hatte durchbrechen müssen, das bis jetzt als Geschirrkammer diente. An den großen Empfangstagen fanden ein Dutzend Personen Platz an dem runden Tisch unter der Hängelampe aus weißem Porzellan, allerdings nur, wenn man das Buffet so verbaute, daß das Dienstmädchen nicht einmal mehr einen Teller herausnehmen konnte. Übrigens tat die Frau des Hauses selber auf; und der Herr des Hauses nahm gegenüber mit dem Rücken zum blockierten Buffet Platz, um das, was gebraucht wurde, herauszunehmen und herüberzureichen.
    Henriette hatte Claude zu ihrer Rechten gesetzt, Mahoudeau zu ihrer Linken, während Jory und Gagnière sich zu beiden Seiten von Sandoz gesetzt hatten.
    »Françoise!« rief sie. »Geben Sie mir doch bitte die Röstbrotscheiben, sie sind auf dem Herd.«
    Und als das Dienstmädchen ihr das Röstbrot gebracht hatte, verteilte sie je zwei Scheiben auf jeden Teller, dann begann sie, die Brühe der Bouillabaisse darüber zu gießen; da ging die Tür auf.
    »Fagerolles, endlich!« sagte sie. »Setzen Sie sich dorthin, neben Claude.«
    Er entschuldigte sich mit galanter Höflichkeit, schützte eine geschäftliche Verabredung vor. Er ging jetzt sehr elegant, eingezwängt in Kleidung nach englischem Schnitt, benahm sich wie ein Herr, der Klubmitglied ist, was durch den Anflug von künstlerhafter Nachlässigkeit, den er beibehielt, noch betont wurde. Er setzte sich sofort, schüttelte seinem Nachbarn die Hand und tat dabei lebhaft erfreut.
    »Ach, mein alter Claude! So lange wollte ich dich schon besuchen! Ja, unzählige Male hatte ich die Absicht vorbeizukommen, und dann, du weißt ja, das Leben …«
    Claude, dem bei diesen Beteuerungen unbehaglich wurde, bemühte sich, mit ebensolcher Herzlichkeit zu antworten.
    Aber Henriette, die weiter auftat, kam ihm zu Hilfe, indem sie ungeduldig sagte:
    »Sagen Sie mir jetzt lieber Bescheid, Fagerolles … Wollen Sie zwei Scheiben Röstbrot?«
    »Gewiß, Madame, zwei Scheiben … Ich schwärme für Bouillabaisse. Übrigens machen Sie sie ja so gut, einfach wunderbar!«
    Tatsächlich vergingen sie alle vor Wonne, Mahoudeau und Jory besonders, die erklärten, in Marseille niemals bessere Bouillabaisse gegessen zu haben, so daß die junge Frau, die hoch entzückt und noch rosig war von der Hitze des Herdes, mit dem Schöpflöffel in der Hand vollauf zu tun hatte, um die Teller wieder zu füllen, die ihr

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