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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Unfehlbarkeit durch die Menge spazieren, deren Lachen er nicht hörte.
    Ohne zu antworten, sah Bongrand ihn mit seinen von Fieber brennenden Augen an.
    »Und mein Dings da unten«, fuhr der andere fort, »haben Sie sich das angesehen? – Mögen sie doch kommen, die Kleinen von heute! Es gibt nur uns, das alte Frankreich!«
    Schon ging er davon, das erstaunte Publikum grüßend, gefolgt von seinem Hofstaat.
    »Rindvieh!« murmelte Bongrand, dem der Kummer die Kehle zuschnürte und der empört war, als sei ein Bauerntrampel in ein Sterbezimmer hineingeplatzt. Er hatte Claude erblickt, er trat auf ihn zu. War es nicht feige, diesen Saal zu fliehen? Und er wollte seinen Mut, seine höhere Seele zeigen, in die der Neid niemals Eingang gefunden hatte.
    »Nun sagen Sie mal, was unser Freund Fagerolles doch für einen Erfolg hat! – Ich müßte lügen, wenn ich sagen würde, ich sei verzückt über sein Bild, das ich nicht gerade mag; aber er ist sehr nett, wahrhaftig … Und außerdem wissen Sie ja, daß er zu Ihnen sehr gut gewesen ist.«
    Claude bemühte sich, ein Wort der Bewunderung über die »Beerdigung« zu finden.
    »Der kleine Friedhof im Hintergrund ist so hübsch! – Ist das denn die Möglichkeit, daß das Publikum …«
    Mit derber Stimme fiel ihm Bongrand ins Wort:
    »Ach was, lieber Freund, keine Beileidsbezeigungen … Ich sehe klar.«
    In diesem Augenblick wurden sie von jemand mit einer vertraulichen Handbewegung gegrüßt, und Claude erkannte Naudet, einen Naudet, der größer geworden, aufgebläht, vergoldet war durch den Erfolg der riesigen Geschäfte, die er jetzt machte. Der Ehrgeiz verdrehte ihm den Kopf, er sprach davon, alle anderen Bilderhändler totzumachen, er hatte ein Palais bauen lassen, in dem er sich als König des Marktes aufspielte, in dem er die Meisterwerke zusammenfaßte und das moderne Warenhaus der Kunst eröffnete. Schon in seiner Diele hallte es laut wider von Millionen. Er veranstaltete Ausstellungen bei sich, richtete außerhalb Gemäldegalerien ein, erwartete im Mai die Ankunft der amerikanischen Kunstliebhaber, denen er für fünfzigtausend Francs verkaufte, was er für zehntausend gekauft hatte; und er führte ein fürstliches Leben; Frau, Kinder, Geliebte, Pferde, Landgut in der Picardie100, große Jagden. Seine ersten Gewinne kamen von der Hausse der berühmten Toten, die zu ihren Lebzeiten abgelehnt worden waren: Courbet, Millet101, Rousseau102. Das hatte ihn schließlich dazu gebracht, jedes Werk zu verachten, das mit dem Namen eines noch ringenden Malers gezeichnet war. Allerdings waren genug schlimme Gerüchte in Umlauf. Da die Zahl der bekannten Gemälde beschränkt war und sich die Zahl der Kunstliebhaber kaum erweitern konnte, kam die Zeit, da sich die Geschäfte schwierig gestalten würden. Man sprach von einem Konsortium, von einer Absprache mit Bankiers, um die hohen Preise zu halten; im Hôtel Drouot103 war man auf den Ausweg verfallen, Verkäufe vorzutäuschen, bei denen der Händler selber sehr teuer wieder Bilder zurückkaufte; und der Bankrott schien unausbleiblich am Ende dieser Börsenoperationen zu stehen, ein Umkippen ins Maßlose und die Agioschwindeleien104.
    »Guten Tag, lieber Meister«, sagte Naudet, der näher getreten war. »Sie kommen wie alle Welt meinen Fagerolles bewundern, was?«
    Seine Haltung gegenüber Bongrand war nicht mehr ehrerbietig und schmeichlerischdemütig wie einst. Und er redete von Fagerolles wie von einem ihm gehörenden Maler, wie von einem bei ihm in Lohn stehenden Arbeiter, den er oft herunterputzte. Er war es, der ihn in der Avenue de Villiers eingerichtet hatte, der ihn zwang, ein vornehmes Haus zu führen, der ihn wie eine Dirne mit Möbeln versah, ihn durch die Lieferung von Teppichen und Nippsachen in Schulden brachte, um ihn dann auf Gedeih und Verderb in der Hand zu halten; und nun begann er ihm Vorhaltungen zu machen, es fehle ihm an Ordnungssinn, er ziehe sich als leichtlebiger Bursche Unanehmlichkeiten zu. So hätte zum Beispiel ein ernsthafter Maler dieses Bild niemals zum Salon eingereicht; zweifellos erregte es Aufsehen, man sprach sogar von der Ehrenmedaille; aber nichts wirkte sich schlimmer auf die hohen Preise aus. Wenn man die Amerikaner haben wollte, mußte man zu Hause zu bleiben wissen, wie ein Heiland tief in seinem Tabernakel.
    »Mein Lieber, Sie mögen es mir glauben oder nicht, ich hätte zwanzigtausend Francs aus meiner Tasche gegeben, damit diese Dummköpfe von den Zeitungen nicht diesen ganzen

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