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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Und dann ist man nie sicher mit den Dienstboten.«
    Als sie das Haus betraten, sahen Sandoz und Claude wieder den Kammerdiener, der so unverschämt gewesen war; und sie merkten, daß Dubuche vor ihm zitterte. Das Dienstpersonal machte sich die Verachtung des zahlenden Schwiegervaters zu eigen, behandelte den Mann der gnädigen Frau wie einen aus Gnade und Barmherzigkeit geduldeten Bettler. Bei jedem Hemd, das man ihm vorlegte, bei jedem Stück Brot, das er nachzufordern wagte, spürte er an dem unhöflichen Verhalten der Dienstboten, daß das ein Almosen war.
    »Nun ja, leb wohl, wir gehen«, sagte Sandoz, der unter alldem litt.
    »Nein, nein, wartet einen Augenblick … Die Kinder werden gleich Mittag essen, und ich begleite euch dann mit ihnen. Sie müssen doch ihren Spaziergang machen.«
    Jeder Tag war so Stunde um Stunde geregelt. Am Morgen die Dusche, das Bad, die Gymnastikstunde, dann das Mittagessen, das eine schwierige Angelegenheit war, denn sie brauchten eine besondere, ausgiebig erörterte und abgewogene Nahrung, und man ging sogar so weit, ihr mit einem Schuß Rotwein vermischtes Trinkwasser anzuwärmen, weil man fürchtete, sie könnten sich durch einen zu kühlen Tropfen eine Erkältung zuziehen. An diesem Tage bekamen sie ein in Fleischbrühe verrührtes Eigelb und ein zartes Stück Kotelettfleisch, das der Vater ihnen ganz klein vorschnitt. Dann kam der Spaziergang vor der Mittagsruhe.
    Sandoz und Claude waren wieder draußen und gingen auf den breiten Gartenwegen mit Dubuche, der wiederum Alices Wägelchen schob, während Gaston jetzt neben ihm herlief. Man plauderte über das Besitztum und bewegte sich dabei auf das Gittertor zu. Der Hausherr warf schüchterne und unruhige Blicke auf den weiträumigen Park, als fühle er sich hier nicht zu Hause. Übrigens wußte er über nichts Bescheid, er befaßte sich mit nichts. Er schien sogar seinen Architektenberuf vergessen zu haben, von dem er, wie man ihm vorwarf, nichts verstand, so sehr war er aus der Bahn geworfen, so aufgerieben vom Müßiggang.
    »Und wie geht es deinen Eltern?« fragte Sandoz.
    Eine Flamme entbrannte in Dubuches glanzlosen Augen.
    »Oh, meine Eltern, die sind glücklich dran. Ich habe ihnen ein Häuschen gekauft, in dem sie die Jahresrente verzehren, die ich mir für sie im Ehevertrag ausbedungen habe … Nicht wahr? Mama hatte genug für meine Ausbildung vorgeschossen, es muß alles zurückerstattet werden, so wie ich es versprochen hatte … Das kann ich sagen, meine Eltern haben mir mal keine Vorwürfe zu machen.«
    Sie waren am Gittertor angekommen und blieben noch ein paar Minuten stehen.
    Schließlich drückte Dubuche, der ganz gebrochen aussah, seinen alten Kumpels die Hand, er behielt Claudes Hand einen Augenblick in der seinen und schloß dann mit einer einfachen Feststellung, in der nicht einmal mehr Zorn lag:
    »Leb wohl, sieh zu, daß du wieder rausfindest … Ich, ich habe mein Leben verpfuscht.«
    Und sie schauten ihm nach, wie er zurückging, dabei Alices Wägelchen schob, Gaston bei seinen bereits strauchelnden Schritten stützte und selber dabei den gekrümmten Rücken und den schweren Gang eines Greises hatte.
    Es schlug ein Uhr, die beiden waren traurig gestimmt und hungrig und gingen schleunigst nach Bennecourt hinunter. Aber andere trübe Eindrücke harrten ihrer dort, ein mörderischer Wind hatte hier geweht: die Faucheurs, der Mann und die Frau, und Vater Poirette waren gestorben; und das Gasthaus, das in die Hände dieses Gans, der Mélie, übergegangen war, wirkte widerwärtig vor Schmutz und Dreck. Man setzte ihnen ein abscheuliches Mittagessen vor, Omelett, in dem Haare waren, Koteletts, die nach Wollschweiß rochen, in der großen Gaststube, die zum Pesthauch der Dunggrube offenstand und in der es dermaßen von Fliegen wimmelte, daß die Tische schwarz davon waren. Die sengende Hitze des Augustnachmittags kam mit dem Gestank herein; sie konnten sich nicht mehr dazu aufraffen, Kaffee zu bestellen; sie entflohen.
    »Und du hast Mutter Faucheurs Omeletts immer in den höchsten Tönen gepriesen!« sagte Sandoz. »Das Haus ist hin … Machen wir noch einen kleinen Rundgang, nicht wahr?«
    Claude wollte ablehnen. Seit dem Morgen trieb er zur Eile, wollte rascher gehen, als verkürze jeder Schritt diese Fron hier und bringe ihn wieder nach Paris zurück. Sein Herz, sein Kopf, sein ganzes Wesen war dort geblieben. Er schaute weder nach rechts noch nach links, hastete weiter, ohne etwas von den Feldern und den

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