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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ebenso angelegt waren? Und außerdem, wenn man das noch nie gesehen hatte, so würde man es eben sehen. Man scherte sich doch nicht ums Publikum!
    Ohne sich vom Ungestüm dieser Antworten in Verwirrung bringen zu lassen, sagte Dubuche immer wieder ruhig:
    »Das Publikum wird das nicht verstehen … Das Publikum wird das schweinisch finden … Ja, das ist schweinisch.«
    »Dreckiger Spießer!« schrie Claude aufgebracht. »Ach, die verdummen dich vollständig an der Ecole des BeauxArts, so blöd warst du nicht!«
    Das waren die gängigen Scherze, die die beiden Freunde mit Dubuche trieben, seit er die Vorlesungen an der Ecole des BeauxArts hörte.
    Er gab klein bei, denn er war ein wenig besorgt wegen der Heftigkeit, die der Streit annahm; und er lenkte ab, indem er über die Maler loszog. Ja, die Maler an der Ecole waren ganz hübsche Trottel, das konnte man wahrhaftig sagen. Aber mit den Architekten stand es ganz anders. Wo sollte er denn sonst studieren? Er mußte also da durch. Später würde ihn das nicht hindern, seine eigenen Ideen zu haben. Und er tat sehr revolutionär.
    »Gut!« sagte Sandoz. »Da du dich entschuldigst, gehen wir essen.«
    Aber mechanisch hatte Claude wieder einen Pinsel zur Hand genommen und sich von neuem an die Arbeit gemacht. Nun paßte die Frauengestalt nicht mehr neben den Herrn in der Samtjacke. Erregt, ungeduldig zog er ihre Umrisse mit einem kräftigen Zug nach, um sie an der Stelle einzusetzen, die sie einnehmen sollte.
    »Kommst du?« fragte sein Freund mehrmals.
    »Später, zum Teufel! Es drängt doch nichts … Laß mich das kurz andeuten, und dann habe ich Zeit für euch.«
    Sandoz nickte; dann fügte er aus Angst, ihn noch mehr aufzubringen, sanft hinzu:
    »Es ist falsch von dir, dich so zu ereifern, Alter … Ja, du bist abgehetzt, du verreckst schier vor Hunger, und du wirst dir bloß noch alles verderben, so wie neulich.«
    Mit einer ärgerlichen Handbewegung schnitt ihm der Maler das Wort ab. Es war immer dasselbe bei ihm: er konnte seine Arbeit nicht zur rechten Zeit sein lassen, er berauschte sich an der Arbeit, hatte das Bedürfnis, sich sofort Gewißheit zu verschaffen, sich zu beweisen, daß das endlich sein Meisterwerk sei. Zweifel hatten sich in seine Freude über eine gute Sitzung eingeschlichen und ihn untröstlich gemacht: war es richtig von ihm gewesen, der Samtjacke eine solche Leuchtkraft zu geben? Würde er den strahlenden Farbton wiederfinden, den er für seine nackte Gestalt haben wollte? Und er wäre lieber gestorben, als das nicht sofort herauszubekommen. Fiebernd zog er die Skizze von Christines Kopf aus dem Karton, in dem er sie verborgen hatte, stellte Vergleiche an und half sich dabei mit diesem nach der Natur hergestellten Dokument.
    »Sieh mal einer an!« rief Dubuche. »Wo hast du das gezeichnet? – Wer ist das?«
    Überrascht über diese Frage, antwortete Claude überhaupt nicht; und er, der alles sagte, log dann, ohne zu überlegen, gehorchte einem seltsamen Schamempfinden, dem zarten Gefühl, er müsse sein Erlebnis für sich behalten.
    »Na, wer ist das denn?« wiederholte der Architekt.
    »Oh, niemand, ein Modell.«
    »Wahrhaftig, ein Modell! Ganz jung, nicht wahr? Sie sieht sehr gut aus … Du mußt mir die Adresse geben, nicht für mich, für einen Bildhauer, der eine Psyche sucht. Hast du die Adresse?«
    Und Dubuche hatte sich zu einem grauen Mauerstück umgedreht, auf dem Adressen von Modellen kreuz und quer mit Kreide geschrieben waren. Vor allem die Frauen hinterließen dort in dicken Kinderhandschriften ihre Visitenkarten; die Adresse von Zoé Piédefer, Rue CampagnePremiére 7, einer großen Brünetten, deren Bauch faltig wurde, war mitten durch zwei andere geschrieben, durch die von der kleinen Flore Beauchamp, Rue de Laval 32, und durch die von Judith Vaquez, Rue du Rocher 69, einer Jüdin, die beide noch ziemlich frisch, aber zu mager waren.
    »Sag, hast du die Adresse?«
    Da brauste Claude auf:
    »Ach, laß mich in Ruhe! – Weiß ich die denn? – Du fällst einem auf die Nerven, weil du einen immer störst, wenn man arbeitet!«
    Sandoz hatte nichts gesagt, war zuerst verwundert und lächelte dann. Er war schneller von Begriff als Dubuche, er gab diesem einen Wink, und sie fingen an zu scherzen. Verzeihung! Entschuldigung! Da der Herr sie für seinen allerprivatesten Gebrauch behalten wolle, werde man ihn nicht bitten, sie auszuleihen. Ach, der Teufelskerl, der sich so schöne Mädchen leistete! Und wo hatte er sie aufgelesen? In

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