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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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er fischte es mit beiden Füßen wieder auf. »Trotzdem habe ich Glück. Es gibt so viele Kumpel, die Vertreter für irgend etwas werden möchten, ohne daß sie was finden können! Gestern habe ich sogar einen Architekten entdeckt, der für einen großen Unternehmer arbeitet, o nein, man kann sich nicht vorstellen, wie unwissend so ein Architekt sein kann: ein richtiger Flegel, unfähig, sich auf einer Pause zurechtzufinden, er zahlt mir fünfundzwanzig Sous die Stunde, und ich setze ihm seine Häuser fix und fertig hin … Das trifft sich großartig, Mutter hatte mir zu verstehen gegeben, daß sie völlig auf dem trockenen saß. Arme Mutter, was habe ich ihr an Geld zurückzugeben!« Da Dubuche offensichtlich zu sich selbst sprach, seine tagtäglichen Gedanken, seine ständige Sorge, rasch zu Vermögen zu kommen, wiederkäute, nahm sich Sandoz nicht die Mühe zuzuhören. Er hatte das kleine Fenster geöffnet und sich auf den Rand des Daches gesetzt, weil er auf die Dauer unter der Hitze litt, die im Atelier herrschte. Aber schließlich unterbrach er den Architekten:
    »Sag mal, kommst du Donnerstag zu mir zum Essen? – Alle werden dasein, Fagerolles, Mahoudeau, Jory, Gagnière.«
    Jeden Donnerstag kam bei Sandoz eine Schar zusammen, die Kumpel aus Plassans, andere Bekannte aus Paris, alles Revolutionäre, die von derselben Leidenschaft für die Kunst beseelt waren.
    »Nächsten Donnerstag, glaube ich nicht«, antwortete Dubuche.
    »Ich muß eine Familie besuchen, wo getanzt wird.«
    »Hoffst du dort eine Mitgift zu ergattern?«
    »Sieh mal einer an, das wäre gar nicht so dumm!« Er klopfte seine Pfeife auf der hohlen linken Hand aus; und plötzlich rief er laut: »Beinahe hätte ich’s vergessen … Ich habe einen Brief von Pouillaud bekommen!«
    »Du auch! – Na, nun hat er sich wohl genug ausgeklönt, der Pouillaud! Das ist einer, mit dem es eine Wendung zum Schlechten genommen hat.«
    »Wieso denn? Er wird der Nachfolger seines Vaters, er wird dort unten in aller Ruhe sein Geld verzehren. Sein Brief ist sehr vernünftig, ich habe ja immer gesagt, er wird uns allen trotz seines dämlichen Aussehens eine Lehre erteilen … Ach, dieser dumme Kerl, der Pouillaud!«
    Wütend wollte Sandoz gerade etwas erwidern, als Claude die beiden mit einem verzweifelten Fluch unterbrach. Er hatte nicht mehr den Mund aufgemacht, seit er wie besessen arbeitete. Er schien sie nicht einmal zu hören.
    »Himmelsakrament! Das ist wieder verpfuscht … Ich bin todsicher ein Rindvieh, niemals werde ich was zustande bringen!« Und in einem Anfall von Tollwut wollte er sich mit einem Satz auf sein Gemälde stürzen, um es mit der Faust einzuschlagen.
    Seine Freunde hielten ihn zurück. Das war ja kindisch, eine solche Wut! Da hätte er aber was erreicht, in der Seele würde es ihm leid tun, wenn er sein Werk zuschanden gemacht hätte.
    Aber immer noch zitternd, war er wieder in sein Schweigen versunken und betrachtete, ohne zu antworten, das Bild mit glühendem, starrem Blick, in dem die gräßliche Qual über seine Unfähigkeit brannte. Nichts Klares, nichts Lebendiges entstand mehr unter seinen Fingern, der Busen der Frau war in schweren Farbtönen zu dick aufgetragen; dieses angebetete Fleisch, das nach seinen Träumen aufstrahlen sollte, beschmutzte er, es gelang ihm nicht einmal, es an die richtige Stelle zu setzen. Was hatte er denn im Schädel, daß er ihm bei seiner nutzlosen Anstrengung so auseinanderzukrachen drohte? Konnte er wegen eines Augenfehlers nicht mehr richtig sehen? Konnte er sich nicht mehr auf seine Hände verlassen, weil sie ihm den Gehorsam verweigerten? Er wurde immer verrückter, weil er sich ärgerte über diese unbekannte Erbschaft, die ihn manchmal so glücklich schaffen ließ und ihn andere Male so dumm und unfruchtbar machte, daß er die allereinfachsten Anfangsgründe des Zeichnens vergaß. Und zu fühlen, wie sich alles in ihm drehte und ihm speiübel wurde, und trotzdem in Schaffenswut vor seiner Leinwand zu bleiben, auch wenn alles entflieht, alles rings um einen verrinnt, der Stolz auf die Arbeit, der erträumte Ruhm, das gesamte Dasein!
    »Hör mal, Alter«, fing Sandoz wieder an, »nicht daß ich dir einen Vorwurf machen will, aber es ist halb sieben, und du läßt uns verhungern … Sei vernünftig, komm mit nach unten.«
    Claude machte mit Terpentin eine Ecke seiner Palette sauber. Er drückte auf diese Ecke neue Tuben aus, er antwortete mit donnernder Stimme ein einziges Wort:
    »Nein!«
    Zehn

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