Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Fagerolles und Gagnière Irma in ihre Mitte, die ihr Lächeln gutmütig unter sie verteilte, denn man war ja im Familienkreise, wie sie selber sagte.
    »Wo ist es denn nun endlich?« fragte Sandoz ungeduldig. »Bring uns doch hin!«
    Jory ging voran, die Schar hinterdrein. An der Tür des letzten Saales mußte man die Faust gebrauchen, um überhaupt hineinzukommen.
    Aber Claude, der zurückgeblieben war, hörte, wie das Gelächter immer mehr zunahm, ein lauter werdendes Geschrei, das Tosen einer hochgehenden Flut. Und als er endlich in den Saal hineinkam, sah er Haufen von Menschen, eine riesige, durcheinanderwimmelnde Masse, die sich vor seinem Bild schier zerquetschte. Hier schwoll das ganze Gelächter an und entfaltete sich. Über sein Bild also lachte man.
    »Na«, sagte Jory triumphierend immer wieder, »das ist aber ein Erfolg!«
    Eingeschüchtert, beschämt, als habe man ihn selber geohrfeigt, murmelte Gagnière:
    »Zuviel Erfolg … Mir wäre was anderes lieber.«
    »Bist du aber dumm!« versetzte Jory im Schwung schwärmerischer Überzeugung. »Das ist der Erfolg, das da … Was macht es denn schon aus, daß sie lachen! Jetzt sind wir im Gespräch, morgen werden alle Zeitungen von uns reden.«
    »Vollidioten!« brachte Sandoz lediglich heraus, dem vor Schmerz die Stimme versagte.
    Fagerolles schwieg, in der teilnamslosen und würdigen Haltung eines Freundes der Trauerfamilie beim Leichenbegängnis.
    Und allein Irma lächelte weiter, weil sie das komisch fand; mit einer liebkosenden Gebärde schmiegte sie sich dann an die Schulter des ausgehöhlten Malers, sie duzte ihn und hauchte ihm leise ins Ohr:
    »Gräm dich nicht, Kleiner. Das sind Dummheiten, man hat trotzdem seinen Spaß.«
    Aber Claude verharrte unbeweglich. Eine große Kälte ließ ihn erstarren. Sein Herz hatte einen Augenblick ausgesetzt, so grausam war die Enttäuschung. Und mit weit aufgerissenen, von einer unbezwingbaren Kraft angezogenen und festgebannten Augen betrachtete er sein Bild, er wunderte sich, er erkannte es kaum wieder in diesem Saal. Das war gewiß nicht dasselbe Werk wie in seinem Atelier. Es war vergilbt im fahlen Licht unter dem linnenen Fensterschutz; es schien auch kleiner geworden zu sein, brutaler und mühseliger zugleich; und ob das nun die Leute um ihn herum bewirkten oder die neue Umgebung, auf den ersten Blick sah er alle Mängel des Bildes, nachdem er monatelang wie blind mit ihm zusammen gelebt hatte. Mit ein paar Strichen würde er es überarbeiten, würde die Gestalten im Vordergrund etwas zurücktreten lassen, ein Glied berichtigen, den Wert eines Farbtons ändern. Sicher, der Mann in der Samtjacke war nichts wert, war zu dick aufgetragen, saß schlecht; allein die Hand war schön. Im Hintergrund die beiden kleinen Ringerinnen, die Blonde und die Braune, waren noch zu sehr Entwurf, es fehlte ihnen an Solidität, einzig und allein Künstleraugen hatten ihren Spaß daran. Aber er war zufrieden mit den Bäumen, mit der besonnten Lichtung, und die nackte Frau, die im Grase liegende Frau, schien über sein eigenes Talent hinauszugehen, als habe ein anderer sie gemalt und als habe er sie noch nicht in diesem Glanz des Lebens gekannt.
    Er drehte sich zu Sandoz um und sagte lediglich:
    »Sie haben Grund zum Lachen, es ist unfertig … Wie dem auch sei, die Frau ist gut! Bongrand hat sich nicht über mich lustig gemacht.«
    Sein Freund bemühte sich, ihn wegzuführen, aber er wurde starrköpfig, er trat im Gegenteil noch näher. Nun, da er sein Werk beurteilt hatte, lauschte er der Menge und betrachtete sie. Der Heiterkeitsausbruch hielt an, wurde noch schlimmer in einer Skala anschwellenden irren Gelächters. Er sah, wie gleich an der Tür die Kinnladen der Besucher auseinanderklafften, wie die Augen kleiner, die Gesichter breiter wurden; und das stürmische Pusten fetter Männer, das rostige Kreischen hagerer Männer wurde übertönt von den schrillen Flötentönen der Frauen. Gegenüber an der Wandleiste bogen sich junge Leute hintüber, als habe man sie in die Seiten gekitzelt. Eine Dame hatte sich eben mit zusammengepreßten Knien auf ein Bänkchen fallen lassen, weil ihr die Luft wegblieb; sie versuchte, hinter ihrem Taschentuch wieder Atem zu schöpfen. Das Gerede von diesem so komischen Bild mußte wohl schon überall hingedrungen sein; die Leute kamen aus allen Ecken des Salons angestürzt, scharenweise stellten sie sich ein, stießen sich an, wollten dabeisein.
    »Wo denn?«
    »Da drüben!«
    »Oh, so ein

Weitere Kostenlose Bücher