Das Wiegen der Seele (German Edition)
ungefähr zwanzig Prozent der männlichen Bevölkerung in Frage. Nettgen durfte gar nicht daran denken, dass es auch ihn ohne Probleme hätte treffen können.
Bei El Dhamosis fand man einen Reisepass und ein Visum, dass nur noch ein paar Tage gültig war . Laut dem gerichtsmedizinischen Bericht war die Mordwaffe ein Metallpfeil, der sich mit seinen Widerhaken durch den Rücken bis ins Herz gebohrt hatte. Der Pfeil selbst bot keine Hinweise, wie Abdrücke oder Gravuren. Das hätte Nettgen auch gewundert. Er erhob sich vom Stuhl.
Diese Nachrichten waren nicht gerade aufbauend. Beängstigt trat er vor das Fenster, zog die Gardinen zurück und blickte auf die mit Menschen überfüllten Straßen. Er fühlte sich beobachtet. Er hatte das Gefühl, als ließen ihn starre, unheimliche Blicke nicht mehr aus den Augen und verfolgten jeden seiner Schritte.
Das Telefon schellte. Burscheidt. „Kommissar Löffler ist zurück. Er ist vorerst vom Dienst befreit. Er wird in den nächsten Tagen angehört.“ Damit legte er auf.
Sein Mobiltelefon klingelte. Nettgen ignorierte es. Er war zu viel mit sich selbst beschäftigt. Beim zweiten Klingeln sah er auf das Display. Es war keine Nummer angezeigt. Nettgen steckte das Handy in seine Tasche. Er wollte jetzt niemanden sprechen, egal wie wichtig es war. Nettgen war in einer Zwickmühle, aus der er so schnell nicht wieder raus kam.
D ie Worte seines Chefs war hart gewesen und Burscheidt war für die konsequente Durchführung seiner Worte bekannt. Er würde ihn raus schmeißen, wenn er keine schlüssige Erklärung liefern konnte. Hinzu kam, dass er allein war. Auf Löffler konnte er zurzeit nicht zählen und Neuhausen durfte er nicht noch weiter in Gefahr bringen.
Während er noch darüber nachdachte, piepste das Handy in seiner Tasche, er hatte eine Kurzmitteilung erhalten. Die sollten ihn doch alle in Ruhe lassen. Er hatte jetzt auch keinen Geist für SMS und ließ sein Handy unberührt in der Tasche.
Sein Diensttelefon klingelte abermals: „Ja? Nettgen ,“ brummelte er.
„Burscheidt!“vernahm er die kratzige Stimme am anderen Ende. „Ich habe Arbeit für S ie auf meinem Schreibtisch liegen. Die Zeugenaussagen und Ergebnisse der Spurensicherung. Kommen S ie die Unterlagen abholen!“
Nettgen holte tief Luft, als er den Hörer auflegte. Es war erstaunlich, wie schnell der Chef ihn auf die Palme bringen konnte. Dafür reichte manchmal schon die bloße Stimme. Nettgen zündete sich eine Zigarette an und paffte. Dann krempelte er sich seins Hemdsärmel hoch, legte die Zigarette in den Aschenbecher und holte die Unterlagen. Zum Glück war Burscheidt nicht in seinem Büro, so war Nettgen auch schnell wieder zurück. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und betrachtete den Inhalt der Umlaufmappe. Die Berichte und Ergebnisse der Spurensicherung konnte er sich sparen, die hatte er ja schon zuvor gelesen. Interessant waren die Zeugenaussagen, die sich hinter dem Stapel der Ergebnisse befanden. Nettgen blätterte und flog über die Berichte. Er wunderte sich, wie viele Bürger sich um diese Uhrzeit noch in der Nähe des Tatorts aufgehalten hatten, zumal er niemanden gesehen hatte. Ein älterer Herr, der seinen Hund ausgeführt hatte, berichtete, dass sein Mischlingsrüde im Wald stehen blieb, sich nicht mehr an der Leine ziehen ließ und wie verrückt bellte. Dann hatte der Mann beobachtet, wie eine dunkle Gestalt hinter den Büschen rannte, Richtung Tennisplätze. Mehr Informationen konnte der Mann nicht geben. Nettgen konnte sich nicht an Hundegebell erinnern.
Der nächste Bericht stammte von einem Ehepaar, das noch einen Spaziergang unternommen hatte. Die beiden waren erschrocken, als plötzlich eine dunkle Gestalt auf sie zugerannt kam und sie fast umger annt hätte. Auch das Paar konnte keine weiteren Angaben machen.
Beim nächsten Bericht wurde es für Nettgen interessant. Beim Überfliegen blieb sein Blick an einem Wort hängen. Nettgen las: ISD SECURITY .
Daraufhin schaute er sich den kompletten Bericht an. Ein Investment-Banker, der aus irgendeinem Grund nicht schlafen konnte, war noch eine Runde durch den Wald gejoggt. Und machte dabei eine für Nettgen interessante Entdeckung. Er berichtete, dass am Seiteneingang des Waldes, nämlich dem an der Berenberger Mark, ein PKW so geparkt hatte, dass selbst er als Fußgänger Probleme hatte, an dem Wagen vorbei zu gelangen. Er regte sich so sehr darüber auf, dass er sich problemlos an die Karosseriewerbung erinnern konnte.
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