Das Wiegen der Seele (German Edition)
des Monats. Dann konzentrierte er sich auf Kamose . Wieder ordnete er zu und fand heraus, dass das K die Elf und das A die Eins bekam. Jedoch passte die Einhundertelf überhaupt nicht ins System. Sollte sich El-Dhamosis auf die Dynastie fixiert und dabei die ersten zwei Buchstaben vertauscht haben? Nettgen setzte das A nach vorne und tauschte das K , welches an elfter Stelle des Alphabets steht, mit dem G , welches an siebter Stelle steht. Es ergab sich ein neues Wort, nämlich Agmose . Das Wort gab zwar –so gesehen – keinen Sinn, denn es existierte kein so lcher Pharao , doch passte dieses Wort zur siebzehnten Dynastie. Nettgen presste sich beide Daumen gegen die Backenknochen, vollführte mit Zeige- und Mittelfinger kreisende Bewegungen über seine Schläfen und starrte auf den Bildschirm. Zwar passte seine Theorie, doch er glaubte selbst nicht daran. Was soll’s? Mehr als wieder daneben liegen konnte er ja nicht. Schließlich tippte er das eigenartige Wort ein und wartete ungeduldig, während der Rechner arbeitete. Nach ein paar Sekunden begann sich der Bildschirm mit Zeichen zu füllen, mit Linien, Kolonnen, mit einer Flut von Worten. Nettgen wusste nicht, wie ihm geschah. So etwas konnte einem wirklich nur mit Whisky einfallen. Spätestens jetzt wusste er, was eine Schnapsidee war! Seine Freude war so groß, dass er sich überhaupt nicht fragte, warum El-Dhamosis dieses ungewöhnliche Wort ausgewählt hatte. Er sprang aus dem Stuhl auf, tanzte eine Runde , klatschte laut in die Hände und begann, ein Lied zu trällern. Nach einigen Minuten der Freude – die Daten hatten sich inzwischen gesammelt – setzte er sich wieder vor den PC und blickte mit einem breiten Grinsen auf die Dateien, die sich geöffnet hatten. Beim genauen Hinsehen blieb sein Blick bei einem bestimmten Ordner stehen: El-Dhamosis hatte ihn mit dem Namen Seelenkrieger bezeichnet !
Nettgen öffnete ihn mit einem Doppelklick e in Dokument, das aus insgesamt sechsundachtzig Seiten bestand . Nettgen las die ersten Zeilen und fand schnell heraus, dass es sich um einen von El-Dhamosis’ persönlich geschriebenen Berichten handelte. Der Text beinhaltete einen geschichtlichen Rückblick bis ins Jahr 991 vor Christi Geburt.
Eine Kurzgeschichte: An der Spitze hatte der Totenrichter Osiris, der Herrscher der Unterwelt, Gott des Jenseits und der Verstorbenen, seinen Platz eingenommen und thronte unter einem Baldachin. Rechts neben ihm stand der falkenköpfige Horus, in der linken Hand das blutende Herz eines Verstorbenen haltend. Links von Osiris saß Maat , die Herrscherin der Weltenordnung, Göttin der Gerechtigkeit und Wahrheit. Neben ihr hatten der ibisköpfige Thot , der Schutzherr der Schreiber, und die große Leichenfresserin Ammut ihre Plätze eingenommen. Im vorderen Teil des Gerichtssaales folgten zweiundvierzig weitere Richtergottheiten dem Geschehen. Das Kernstück des Raumes bildete eine goldene Waage mit zwei bunt verzierten Schalen aus Glas. Vor der Waage kniete ein Verstorbener mit gesenktem Kopf und wartete auf den Richterspruch. Auch Anubis war anwesend.
Er las, dass im Jahre 180 vor Christi Geburt in Ägypten von einem gewissen Haremdad ein geheimer Orden gegründet worden war. Dieser Orden nannte sich : Die Seelenkrieger. D ie neuzeitliche Auferstehung dieses Ordens lag aber laut den Recherchen von El-Dhamosis erst zweihundert Jahre zurück , zu einer Zeit, in der es in Europa chic war, sich mit den alten Kulturen, besonders Ägyptens, zu befassen. . Zwischen 1949 und 1970 hatte sich der Orden dann reorganisiert. Grund dafür war die Beseitigung eines französischen Forscherteams, das auf Hinweise zum Grab gestoßen war. Alle Mitglieder des Teams wurden beseitigt, doch der Orden hinterließ Spuren, sodass er untertauchen musste. Anschließend wartete man, bis sich die Wogen gelegt hatten und die Fäden zwischen den Seelenkriegern, die sich inzwischen in sieben verschiedenen Ländern verstreut aufhielten, wieder geknüpft waren. El-Dhamosis hatte es geschafft, die Großmeister des Ordens bis in das Jahr 450 nach Christi zurückzuverfolgen. Es war offensichtlich , dass er sich lange Zeit damit beschäftigt hatte. Unzählige Namen von Meistern, Niederlassungen des Ordens und weitere wichtige Informationen waren auf der DVD gespeichert. Kein Wunder, dass diese Daten gut geschützt sein sollten. Nettgen überprüfte Datum und Uhrzeit des letzten Speichervorgangs. Der war kurz vor El-Dhamosis’ Anruf. Vielleicht hatte er da
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