Das Wiegen der Seele (German Edition)
auch zwischen Groß- und Kleinschreibung unterscheiden würde, wie sein verhasster Deutschlehrer in der Grundschule. Dabei fiel ihm ein, dass es ja auch noch Zahlen und Sonderzeichen gab – ihm sank der Mut. Alle möglichen Kombinationen durchzutesten würde wahrscheinlich Jahre dauern! Nettgen ließ sich zurückfallen. Das war auch für ihn eindeutig zu viel des Guten. Ihm blieb nichts anderes übrig, als mit Hypothesen zu arbeiten.
Er fragte sich , an was für ein Wort El-Dhamosis wohl gedacht haben konnte. War es ein Wort, das er bereits zu Beginn der Aufzeichnungen gewählt hatte – oder eines, das er sich erst später ausgedacht hatte? Wenn sich auf dieser DVD hochexplosives Material befand , würde es sich wohl eher um ein extrem kompliziertes Wort handeln . Nettgen strengte seine Gehirnzellen an. Er stellte eine zweite Hypothese : D as Wort hatte etwas mit der Geschichte oder dem Fall zu tun. E ventuell auch mit den Ausgrabungen in Ägypten. Vielleicht war es sogar ein arabisches oder gar altägyptisches Wort ? Das hätte die Sache deutlich komplizierter gemacht.
Doch warum sicherte El-Dhamosis überhaupt die DVD? Vor wem wollte er den Inhalt schützen? Hätte er einen Begriff im Zusammenhang mit den Ausgrabungen genommen, hätte es auch denen in den Sinn kommen können, denen er es verheimlichen wollte. Es musste sich also um etwas ganz anderes handeln. Die Grübelei machte keinen Sinn, Nettgen musste handeln. Er fasste sich ein Herz und probierte es einfach mit einigen Begriffen aus, die im spontan in den Sinn kamen. Er begann zuerst Anubis einzugeben, dann Ägypten , danach Grab und zum guten Schluss versuchte er es mit Pharao . Nichts, es tat sich überhaupt nichts. War ja auch eigentlich klar, denn es waren die ersten Ideen, die jedem x-Beliebigen hätten einfallen können. Dennoch: Das Passwort musste etwas Naheliegendes sein, das einem Menschen ganz zwangsläufig einfällt. Nettgen versuchte, sich in die mentalen Prozesse El-Dhamosis’ hineinzuversetzen. Anscheinend hatte er beim Schreiben oder Lesen nervös geraucht und viel getrunken. Neben dem Computer stand ein randvoller Aschenbecher mit filterlosen St u mmeln, außerdem eine leere Flasche weißer Rum, hochprozentig, daneben eine angebrochene Flasche Whisky, aus der vielleicht zwei Gläser getrunken w a ren. Nettgen erhob sich vom Stuhl, schritt zum Sideboard neben der Minibar und nahm sich ein sauberes Glas vom Tablett. Zurück vorm Computer goss er sich einen Schluck Whisky ein, lehnte sich zurück und legte die Füße auf die Kante des Tisches. Er trank ein kleines Schlückchen, schüttelte sich dabei und ließ seine Blicke durch das Zimmer wandern. Erneut trank er einen Schluck, schloss die Augen, machte sie wieder auf. Seine Gedanken drehten sich nur um das Passwort. Wie ein Lexikon schossen ihm alle nur vorstellbaren Wörter durch den Kopf. Fein säuberlich sortierte er nun die mit sieben Buchstaben. Entschlossen machte er sich wieder an der Tastatur zu schaffen und gab im Dreifingersystem alle Wörter ein, die ihm sein Gedächtnis zur Verfügung stellte.
Die Zeit verstrich. Nach der ungefähr hundertsten erfolglosen Eingabe erinnerte er sich an die Recherchen zu Anfang des Falls. Ihm kam der Name Ahmose in den Sinn. Doch auch hierbei, so wie bei allen anderen Fehleingaben, bekam er nur als Antwort:
Falsche Eingabe. Passwort vergessen? Pech gehabt!
Nettgen war außer sich. Er hätte dem Bildschirm am liebsten so dermaßen einen Schlag verpasst, dass dieser in tausend Stücke zersprungen wäre. Wie ein Geisteskranker hämmerte er Nein in die Eingabeaufforderung.
Natürlich die gleiche Antwort. Frustriert genehmigte er sich einen kräftigen Schluck aus dem Glas . I rgendwie hielt sein Gedanke Ahmose fest. Er versuchte, sich an Kleinigkeiten und Ergebnisse zu erinnern und kombinierte. Ahmose war ein Pharao, der zur achtzehnten Dynastie regierte. Der Mord geschah am Achtzehnten. Also bestand ein Zusammenhang, den er schon zuvor entdeckt hatte. Aber was war mit Kamose ? Dieser Pharao sollte auf die siebzehnte Dynastie deuten, denn auch ein weiterer Mord fand zu einem Siebzehnten statt. Wieder schenkte sich Nettgen Whisky ein und kombinierte weiter. Es war eindeutig, dass jeder Buchstabe einer Zahl entsprach. Er nahm die Anfangsbuchstaben von Ahmose und ordnete die Buchstaben der Reihenfolge zu. So bekam das A die Eins und das H die Acht. Auch hier bemerkte er einen Zusammenhang, denn es ergab die achtzehnte Dynastie sowie den Achtzehnten
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