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Das Wiegen der Seele (German Edition)

Das Wiegen der Seele (German Edition)

Titel: Das Wiegen der Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ullsperger
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was sich in dem Brief verbarg. Mit einer Pinzette hob Nettgen den Brief vorsichtig an und zog ihn zu sich heran. Die beiden Briefmarken zeigten die heute wohl bekanntesten Sehenswürdigkeiten des alten Ägypten, die eine die Totenmaske des Pharaos Tutenchamun und die andere die große Cheopspyramide von Gizeh. Nettgen erkannte die Abbildungen aus seinen zahlreichen Büchern. Abgestempelt war der Brief in der Mitte der beiden Marken mit einem teelichtgroßen Stempel. Er versuchte, die Inschrift des Stempels zu lesen, doch er konnte die Schrift nicht entziffern. Das Einzige, was er erkannte, war die Ziffer drei .
    „Sagen S ie, Frau Crampton, woher wissen S ie, wann und wo der Brief aufgegeben wurde?“
    „Sind S ie der arabischen Sprache nicht mächtig, Kommissar Nettgen?“, fragte sie mit einem leichten Schmunzeln um die Lippen.
    „Nein, das bin ich leider nicht, aber dafür habe ich andere gute Eigenschaften, Frau Crampton.“ Auch er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und war froh, dass Frau Crampton nun ein wenig lockerer und vertrauter erschien.
    „Also, der Brief wurde am dritten Mai in Kairo abgestempelt. Ich beherrsche die arabische Sprache nicht perfekt, doch dafür reicht es . “
    Nettgen gab sich mit der Antwort zufrieden und zog aus der Innentasche seines Sakkos ein kleines, jedoch rasierklingenscharfes Taschenmesser hervor. Dann schnitt er vorsichtig einen Schlitz in die Seite des Umschlages, klappte ihn auf und zog mit der Pinzette den Brief heraus.
    Der Brief bestand aus zwei gefalteten DIN A4-Seiten in einer Handschrift, die nur schwer zu entziffern war und die auf Eile des Schreibers deuten konnte.
    „Frau Crampton, möchten S ie den Brief selber lesen oder soll ich I hnen den Inhalt vorlesen?“ Ungeduldig wartete er auf ihre Reaktion.
    „Bitte, Kommissar Nettgen ... bitte lesen S ie den Brief vor.“
    Nettgen las:
     
    Liebe Maria,
     
    wir sind bei unseren Ausgrabungen auf einen Eingang gestoßen, der durch einen Schacht in eine unberührte Kammer führt. Erst dachten wir, das sei eine Sackgasse, aber plötzlich fanden wir den Eingang zu einer weiteren Kammer, einer Grabkammer. Dort fanden wir mehrere Papyrusrollen, die wir mitnahmen. Ich dachte, ich sei endlich am Ziel meiner langen Reise. Hatte ich endlich das Totenbuch des Anubis gefunden? Aber nein, es waren nur alte Schriften. Ein Fund von unschätzbarem Wert, sicherlich, aber nicht das, wonach ich eigentlich suchte. Immerhin gaben mir die Schriften Hinweise darauf, dass meine Suche am Ende nicht vergebens sein würde, sie bestätigten die Existenz des Buches. Wir machten also weiter. Aber dann wurde unsere Arbeit erschwert. Es ereigneten sich eigenartige Dinge. Zwei meiner Leute wurden durch Unfälle verletzt, unerklärliche Erderschütterungen schütteten einen Teil der Ausgrabungen wieder zu.
    Wochen vergingen und wir fanden außer den Papyrusrollen nichts von Bedeutung, also ließ ich das Grab und den Eingang wieder verschließen.
     
    Maria, ich habe das erste Mal Angst. Wir sind nicht alleine. Wir werden beobachtet. Schakale verfolgen uns auf Schritt und Tritt. Wir brechen die Expedition ab.
    Egal, was geschieht, Du sollst wissen, dass ich Dich liebe. Ich habe Dir nie das gegeben, was du brauchst. Du hast mir zwei Töchter geschenkt, doch Zuneigung und Zufriedenheit blieb aus. Ich hatte nur meine Arbeit im Kopf, Du bliebst auf der Strecke. Es tut mir leid und ich danke Dir von Herzen, dass Du bei mir geblieben bist. Vermutlich ist es zu spät für diese Worte, jedoch sollst Du es wissen. Bitte pass immer auf Dich und unsere Töchter auf, denn ich weiß nicht, was alles geschehen wird.
     
    Ich hoffe, dass nicht nur der Brief, sondern auch ich die Heimat erreichen werde, dann wirst Du diese Zeilen nie lesen müssen.
    Ich möchte nur noch heim zu den Kindern, zu dir, zu meinem einzigen strahlenden Stern am Firmament.
     
    Dein Jack
     
    Frau Crampton war wie gelähmt. Sie atmete schnell und keuchend, zitterte am ganzen Körper. In ihren Augen lag ein Ausdruck von Trauer und Betroffenheit. Auch Nettgen fühlte sich nicht wohl. Eiskalt lief es ihm den Rücken herunter.
    „Frau Crampton ...“ Er räusperte sich. „Frau Crampton“, wiederholte er, während er den Brief behutsam zurück in den Umschlag steckte, „ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe und S ie alleine lasse. Kann ich den Brief mitnehmen und ihn unserer Spurensicherung überlassen?“ Nettgen schaute sie an. Sie erwiderte seinen Blick und griff über

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