Das wilde Herz der Highlands
beim Reiten stets um den Leib schlang. Während der wenigen Stunden, die sie gestern von Comens Kate aus geritten waren, hatte sie stocksteif dagesessen, und Gleiches galt für den gesamten heutigen Tag ihrer Reise.
Als sie am späten Nachmittag auf dieses kleine Loch gestoßen waren, hatte Sherwell beschlossen, dass sie früh halten und das Lager für die Nacht aufschlagen würden. Lord Rolfe schien das nicht zu passen, aber Seonaid war froh gewesen. Vielleicht kamen sie dadurch ein paar Stunden später zu Hause an, aber die Muskeln schmerzten ihr so sehr von der verspannten Haltung, dass sie sich nichts sehnlicher gewünscht hatte als ein Bad im kalten Wasser. Auf dieses Vergnügen hatte sie sich so sehr gefreut, dass es ihr nicht einmal etwas ausgemacht hatte, als Sherwell und Lord Rolfe die Frauen vom Herrichten des Lagers befreit und zum abendlichen Bad beordert hatten. Zwar hatte Seonaid auch nicht erwartet, dass die Männer ihnen je wieder gestatteten zu kochen, aber sie hätten die Pferde versorgen oder Feuerholz sammeln können. Wären sie mit Seonaids Vater und seinen Kriegern unterwegs gewesen, so wäre dies von ihnen erwartet worden. Sie waren damit aufgewachsen, ständig zu beweisen, dass sie ebenso stark, gescheit und fähig waren wie jeder Dunbar-Krieger. Niemand hatte sie je wie schwächliche Damen behandeln dürfen.
„Lord Blake“, erklärte Helen ihre Bemerkung von eben. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass er in der Lage sei, mit seinen Worten die Vögel aus den Bäumen zu locken, doch bislang ist er einen Beweis für diese Gabe schuldig geblieben. Er hat noch nicht ein Kompliment geäußert. Dass er mit mir nicht tändelt oder mir schmeichelt, kann ich verstehen, denn schließlich bin ich wie eine Nonne gewandet. Aber wieso hat er seine Wortgewandtheit nicht eingesetzt, um Euch davon abzubringen, vor ihm davonzulaufen? Das erscheint mir höchst merkwürdig.“
Hinter sich hörte Seonaid ihre Cousine schnauben, aber sie öffnete die Augen nicht, um sich nach ihr umzusehen. Vielmehr war sie vollauf damit beschäftigt, eine unbeteiligte Miene zu wahren, um nichts von ihren Gefühlen in dieser Angelegenheit preiszugeben. Auch ihr war aufgefallen, dass Sherwells vermeintlich honigsüße Zunge in ihrer Gegenwart stumm blieb. Jedenfalls hatte der Mann sich nicht überschlagen, sie mit schönen Worten zu betören, und obgleich sie es niemals zugegeben hätte, bedrückte sie dies ein klein wenig. Fand er vielleicht nichts Nettes über sie zu sagen? Oder ließ er sich nicht dazu herab, weil er sie so sehr verabscheute? Beide Möglichkeiten setzten ihr zu. Zwar versuchte sie die Hochzeit so lange wie möglich hinauszuzögern, wusste jedoch, dass sie ihn schlussendlich würde heiraten müssen. Aber wer wollte schon mit einem Mann vermählt sein, der so wenig von seiner Braut hielt?
„Vielleicht ist ihm klar, dass es pure Zeitverschwendung wäre“, erwiderte sie mit erzwungener Häme.
„Durchaus denkbar“, räumte Helen ein. „Schließlich seid Ihr nicht wie andere Frauen. Womöglich hat er eingesehen, dass Ihr mit lieblichen Worten nicht zu erobern seid.“
Seonaid schlug die Augen auf und starrte finster zum dunkler werdenden Himmel hinauf. Sie hatte nie darüber nachgedacht, ob sie mit Schmeicheleien zu erobern sei oder nicht. Vielleicht gefielen ihr süße Worte ja - wenngleich dies jeden verblüfft hätte, der sie kannte. Ihr ganzes Leben hatte sie darum gekämpft, von ihrem Clan geachtet zu werden. Schon als Kind hatte sie gewusst, dass sie mit Blake Sherwell verlobt war, und ebenso lange hatte sie mit angehört, wie ihr Vater den Namen Sherwell verflucht hatte. Da ihr Vater die Sherwells so sehr hasste, hatte sie stets angenommen, dass es etwas Schlechtes sei, mit einem Mann dieses Clans verheiratet zu werden. Es fühlte sich an wie ein Makel. Also hatte sie versucht, Anerkennung und Stolz zu erringen, indem sie die beste Kriegerin geworden war, die in ihr steckte. Ein freundliches Wort dann und wann wäre aber womöglich ganz nett, und dass Sherwell sich dazu nicht herabließ, wurmte sie. Es tat fast ein bisschen weh. Was war denn falsch an ihr? War sie in seinen Augen kein Kompliment wert?
In ihren verletzten Stolz mischten sich Ärger und Furcht. Sie richtete sich auf, fühlte Grund unter den Füßen und watete ans Ufer. Für heute hatte sie genug entspannt.
„Die Frauen scheinen sich für ihr Bad ziemlich viel Zeit zu lassen“, merkte Kenwick an.
„Das tun Frauen doch immer.“
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