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Das Wing 4 Syndrom

Das Wing 4 Syndrom

Titel: Das Wing 4 Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Williamson
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fühlte er sich bald in Greenpeak wohler. Er lernte, wie man es anstellte, keine schwarzen Striche zu bekommen. Obmann Taiko lächelte sogar manchmal, wenn sie sich in den Korridoren begegneten und er seinen Gruß erwiderte, und die neuen Schwabber wirkten ziemlich kläglich.
    Er fragte sich, ob er wirklich feige war, und beschloß, sich selbst auf die Probe zu stellen.
    Am Sonnenuntergangstag, nach dem zweiten Semester, als Chelni zum Haus ihres Onkels in Northdyke gefahren und die Schule fast leer war, nahm er eine Lichtpistole aus dem für Notfälle bestimmten Schrank in der Halle und schlich durch die leere Turnhalle, quer über das verlassene Dienstdeck zu einer Sperre, die niemand sehen konnte. Mit wild schlagendem Herzen kletterte er über die Sperre und stolperte durch den verbotenen Tunnel in die immer dichter werdende Finsternis.
    Die tote Stadt, die am Ende des Tunnels lag, die weit über die winzige beleuchtete Insel der Schule hinausreichte, hatte ihm stets unbestimmte Angst eingejagt, ihn gleichzeitig jedoch auch fasziniert. Immer, wenn er über die Sperren hinausgeblickt hatte in die eisige Finsternis der nicht geräumten Tunnels, hatten ihn Träume über seine Vorfahren beschäftigt, die dort gelebt und gekämpft hatten und schließlich gestorben waren. Dann hatte ihn der Wunsch erfüllt, die Orte zu besuchen, wo sie gewesen waren. Die lauernden Gefahren von Felsstürzen, plötzlichen Wassereinbrüchen und tödlichem Gas schienen ihm echt genug, um seinen Mut auf die Probe zu stellen, und er würde dabei niemanden verletzen.
    Auf der anderen Seite der Barriere tastete er sich in einem Nebentunnel entlang, ehe er es wagte, die Lichtpistole einzusetzen. Als er sie schließlich anknipste, gab es eigentlich gar nicht so viel zu sehen. Nur eine endlose Reihe schwarzer Höhlenmündungen, die seitlich von dem düsteren Weg abzweigten, und dabei nichts, das ihm verriet, ob sie einmal Läden oder Behausungen oder sonst etwas gewesen waren.
    Und doch empfand er eine eigenartige Erregung, ein Hochgefühl, das er nicht ganz begriff. Hier war er irgendwie frei. Es gab niemanden, den er schlagen oder dem er sich unterwerfen mußte. Niemanden, der versuchte, ihm weh zu tun oder ihn zu beherrschen – hier konnte er ganz er selbst sein.
    Er knipste die Lichtpistole aus, setzte sich in der lautlosen Finsternis auf einen heruntergefallenen Felsbrocken und fragte sich, weshalb diese einsame Freiheit ein so angenehmes Gefühl in ihm erzeugte. Vielleicht war er damals in der Zeit, die er mit seiner Mutter auf Malili verbracht hatte, irgendeinem Leid entflohen, an das er sich nicht erinnern konnte. Vielleicht war er zu lange mit Schwester Vesh und Dr. Schlau zusammengewesen und hatte zu wenig über die anderen Menschen gelernt. Vielleicht war er einfach ein Außenseiter.
    Er spürte, wie die feuchte Kühle in ihn hineinkroch, und stand auf, um weiterzugehen. Trotz der Kälte gefiel es ihm, in dieser schwarzen Stille allein zu sein. Es gefiel ihm so gut, daß die Gründe, die ihn bewegten, eigentlich gar nicht wichtig waren. Er wußte, daß er hierher eines Tages zurückkehren mußte.
    Sonst fand er bei jenem ersten Abenteuer nichts, das ihn interessierte. Nur ein paar Stücke rostzerfressenen Metalls und zerbrochenen Glases, die er gleich wieder wegwarf, weil er nicht gewußt hätte, wie er sie bei der Zimmerkontrolle hätte erklären sollen. Aber immer, wenn sich die Gelegenheit bot, kehrte er zurück, arbeitete sich um die ganze Schule herum und baute sich im Geist eine Karte der finsteren Kavernen auf, um sicherzugehen, daß er sich nicht verlaufen würde.
    Als er weiter in die Höhlenwelt eindrang, fand er das, was früher einmal die wichtigsten vertikalen Verbindungswege gewesen sein mußten. Sie waren ausgebrannt, wahrscheinlich von den Bomben, große schwarze Höhlen, angefüllt mit zerbrochenem Stein und verbogenem Stahl, und hinderten ihn so daran, in die unteren Etagen einzudringen.
    Bei einer längeren Expedition am Ende des Semesters spürte er, wie ihn durch ein zerbrochenes Gitter kalter Wind anwehte. Eine Leiter dahinter führte in die Tiefe, so weit sein Licht reichte. Als er die verrosteten Leitersprossen erprobte, schienen sie ihm stark genug.
    Ein wenig zitternd und doch von einem Hochgefühl erfüllt, weil er sich an einen Ort wagte, den seit vielen hundert Jahren niemand mehr aufgesucht hatte, vielleicht sogar seit dem Tod der Stadt, hakte er sich die Lichtpistole an den Gürtel und kletterte die

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