Das Wing 4 Syndrom
Die Erregung ließ ihn langsamer sprechen. „Ich habe so gelebt, wie ich es wollte, Keth. Und das meiste von dem getan, was ich wollte. Wenn ich das nicht tun kann – wenn sie versuchen, mich mit ihrer erstickenden Fürsorge einzuhüllen, von der Brong spricht –, dann möchte ich so abgehen, wie Brong sagt, daß mein Bruder abgegangen ist.“
„Wir brauchen Ihre Hilfe, um überhaupt etwas beweisen zu können.“
„Wir können keine Expedition ausschicken.“ Sein fleischiges, gerötetes Gesicht wirkte besorgt, seine Stirn war gerunzelt. „Jetzt kommt der Winter, da erstarrt alles im Eis. Ich kann ein paar Kilogramm Palladium liefern, aber ich fürchte, Ihr größeres Problem ist der Mann dort draußen.“
Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das Vorzimmer, in dem Brong wartete.
„Sehen Sie zu, daß Sie ihn besser kennenlernen. Hören Sie sich an, was er zu sagen hat, und achten Sie auf seine Tricks. Wenn er wirklich mit meinem Bruder zum Drachen gereist ist, dann bringen Sie heraus, wie er die Rückkehr bewerkstelligt hat. Wenn er die Humanoidenstützpunkte dort sehen kann, dann sagen Sie mir, wie er das anstellt. Wenn er lügt, dann wäre es das nicht das erstemal. Wenn er ehrlich ist“ – er schüttelte den schweren Kopf – „dann wird uns die Zeit knapp.“
„Er ist mir ein Rätsel“, sagte Keth. „Ich hatte gehofft, Sie würden ihn besser kennen.“
„Niemand kennt ihn.“
„Ich werde in Erfahrung bringen, was geht.“
„Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas herausfinden.“ Vorn drückte ihm die Hand, um das Gespräch zu beenden. „Chel hat Sie gern gehabt.“ Seine tiefe Stimme vibrierte. „Ich glaube, sie braucht Sie jetzt.“
Als sie zur Station zurückgingen, schien der Wind kälter, und der grünliche Himmel über den grauen Granitschluchten wirkte um ein Vielfaches fremdartiger. Brong trottete neben ihm her und plauderte mit leichter Zunge über die historischen Landmarken, an denen sie vorüberkamen. Er gestikulierte mit seinen gelben Handschuhen, als ob er nie ein Geheimnis gekannt hätte.
„Haben Sie Geräte mitgebracht, Schutzmann?“ Brong griff sich seine Tasche. „Soll ich Ihnen beim Aufbau behilflich sein?“
„Jetzt noch nicht.“ Keth ging auf den Schreibtisch zu, um sich zu setzen. „Ich möchte mehr über meine Mutter hören.“
„Eine finstere, schreckliche Geschichte.“ Brongs kleine, schwarzen Augen starrten ihn an, unschuldig und groß. „Aber wenn Sie sie hören wollen, dann kommen Sie in mein Zimmer.“
In dem vollgestopften Raum wies er auf ein Holostat über der nicht aufgeräumten Pritsche, auf der er offensichtlich schlief. Eine Frau in einem eigenartigen goldfarbenen Overall.
„Eine Göttin, Schutzmann.“ Seine traurige Stimme wurde leiser. „Ich habe sie angebetet.“
Keth spürte einen stechenden Schmerz in der Kehle und trat näher. Er hatte nie ein Bild seiner Mutter gesehen. Ihre Augen waren so braun wie die seinen, in einem lebhaften, von Strahlen gebräunten Gesicht. Sie lächelte.
„Sie war freundlich zu mir.“ Brong trat mit einem Seufzen ein paar schmutzige Stiefel beiseite, um ihm auf der Pritsche Platz zu machen.
„Darüber müssen Sie nachdenken, Schutzmann. Begreifen Sie, was das bedeutet? Freundlich zu einem Halbblut – einem armseligen Bastard, dazu geboren, ein Leben ohne Liebe zu leben?“
Er ließ sich auf eine leere Kiste sinken, die einmal Dosen mit Melonadesirup enthalten hatte, und spreizte vielsagend die Metallhände.
„Sie müssen versuchen, die Last zu begreifen, mit der ich geboren wurde, Schutzmann. Die Leute befürchten die ganze Zeit, ich könnte sie mit Blutfäule anstecken. Dafür gab es natürlich keine Grundlage, weil meine eigene Mutter schließlich auch keine solche Trägerin war und mich zur Welt gebracht hatte. Aber ich wäre fast an irgendeiner anderen obskuren Dschungelinfektion gestorben. Jahrelang war ich ein Krüppel, den alle mieden. Die Leute hatten Angst vor meiner Berührung.“
Er seufzte und wischte sich die schmale Nase.
„Alle, außer meinen Eingeborenenfreunden – und Sie sehen ja, was passierte, wenn ich sie berührte.“ Er hob die goldenen Hände. „Wenn Sie die ganze tragische Geschichte hören wollen – meine unglückselige Mutter war eine Xenologin von Kai, die hierhergekommen war, um die Sprache der Leleyo zu studieren. Mein Vater war ihr Informant.
Ein goldener Riese namens Ilo Auli – ich habe einmal sein Bild gesehen –, der ihr zufällig über den Weg lief,
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