Das Wing 4 Syndrom
längerem Haar und einem goldenen Bart saß auf einem Felsen und lächelte den Kindern zu.
Alle waren nackt. Das Wasser mußte von der Schneeschmelze eiskalt sein, aber ihnen schien das nichts auszumachen. Schlanke, graziös wirkende Leute mit hellem Haar und grünlichen Augen. Sie sahen aus, als könnte nichts sie beunruhigen. Glücklich und frei …“
Er bewegte seine mechanischen Hände und musterte sie bedrückt.
„Schutzmann“ – seine Stimme klang leise und wehmütig –, „Sie können sich nicht vorstellen, was ich bei ihrem Anblick empfand. Alles in mir drängte danach, zu ihnen zu gehen. Ich wollte Ihren Vater verlassen – unsere Beziehung war inzwischen ziemlich unangenehm geworden. Einfach in die Schleuse gehen, meine Kleider ausziehen und in das klare Wasser springen. Mir die Schutztruppe, die Zone und die ganze Kaiwelt einfach abwaschen.“
Er seufzte betrübt.
„Wahrscheinlich hätte mich das das Leben gekostet, Schutzmann“. Er blickte auf. „Aber vielleicht hätte ich es auch überlebt – der Gedanke verfolgt mich seit jener Zeit. Meine Mutter sagte, ich sei nicht immun, aber es hat nie einen sicheren, verläßlichen Test gegeben. Damals, als ich mich ansteckte, schienen die Ärzte überrascht, daß ich die Amputation meiner Hände überlebte.“
Jetzt verstummte er wieder, und sein totes braunes Gesicht wirkte länger und fahler denn je. Die goldenen Prothesen zitterten ein wenig, als er sie öffnete und schloß.
„Ach, Schutzmann!“ klagte er zuletzt. „Ich habe meine Chance auf das Paradies verspielt!“
18
Drachenfledermaus Großer geflügelter mutierter Fleischfresser, der von einem eingeborenen Raubvogel abstammt, den die frühen Leleyos gezähmt haben.
Brong wischte sich mit dem gelben Ärmel über die feuchten Augen.
„Wir hatten auf der Sandbank unter dem Federbuschwäldchen angehalten“, fuhr er mit ernster Stimme fort. „Die Leleyos blieben ganz ruhig. Sie schienen uns kaum zu bemerken. Wir beobachteten sie …“
Er machte eine Pause, um sich zu schneuzen.
„Schutzmann, Sie können sich nicht vorstellen, wie mir zumute war. Ihre reizende Mutter sprach oft von ihrer Kultur. Eine ganz andere Art der Zivilisation, pflegte sie zu sagen. Eine, die auf dem Geist basierte und nicht auf den Dingen. Und doch hatte ich mich stets meines Leleyo-Blutes geschämt.
Nackte Wilde! Auf der Flucht vor dem eigenen Schmutz durch den Dschungel ziehend, tierhafte Geschöpfe, die Käfer finden und mit den bloßen Händen Wurzeln ausgruben, um sich davon zu ernähren. Keine Werkzeuge, keine Bücher, keine Häuser. Armselige zweibeinige Tiere! Das ist das Bild, das man sich allgemein von ihnen macht, und es fiel mir schwer, das Glück, das wir sahen, zu glauben.
Ich weiß nicht, was Ihr Vater dachte. Nachdem wir die Eingeborenen eine Weile beobachtet hatten, forderte er mich auf, näher heranzufahren. Sie ignorierten uns immer noch, aber die Drachenfledermaus schrie und stieß herunter. Ein Brüllen, das mir eisige Schauer über den Nacken jagte, obwohl wir Schutzpanzer trugen.
Sie flatterte über uns hinweg und landete auf einem rostgrünen Felsen neben dem Teich über dem bärtigen Mann. Obwohl wir uns langsam nach vorn schoben, bewegte sie sich nicht und schrie auch nicht wieder. Wir kamen auf etwa vierzig Meter heran. Viel näher, als mir angenehm war.
Eine gefährliche Bestie, aber sauber und glatt. Ihre Schwingen und ihr Körper waren mit feinem weißen Pelz bedeckt. Sie packte den Felsen mit großen schwarzen Krallen, die einen Menschen in Stücke reißen konnten. Der Schnabel war schwarz und gebogen und schien mir stark genug, um die Kuppel aufzureißen und mich aus der Kabine herauszuholen.“
Brong schauderte.
„Er bestand aus Tausenden winziger Facetten, wie die der terranischen Insekten. Ein großes, glitzerndes Diamantenband, das den halben Kopf der Fledermaus unter dem bösartig aussehenden messerscharfen Kamm umzog. Man konnte nicht sagen, was sie beobachtete. Wahrscheinlich alles. Dieses Auge verfolgt mich immer noch in meinen Träumen.
Und doch hatte das Geschöpf eine Schönheit an sich, die Ihre Mutter beeindruckt hätte. Eine Vierteltonne Raubtier, so schnell, so elegant, daß man sich förmlich danach sehnte, es töten zu sehen. Ich fragte mich, warum die Bestie nicht auf jene nackten Leute herunterstieß und warum sie keine Angst hatten.
Und ich fragte mich auch, weshalb sie keine Angst vor uns hatten. Die Kinder ließen sich in ihrem Spiel mit
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