Das Wing 4 Syndrom

des Schiffes, von der Brücke gewählt – einer parlamentarischen Körperschaft, die von den wahlberechtigten Schiffsleuten gewählt wird.
     
    Keth fuhr mit der Röhrenbahn nach Norden. Da die nächste Sitzung der Brücke bevorstand, war Northdyke überfüllt, und alle Hotels waren besetzt. Das schäbige Zimmer, das er fand, lag abseits in einem ebenso schäbigen Tunnel unter einem Fabrikbezirk hinter dem exklusiven Vorort Meteorspalt.
    Niemand wollte hören, was er über die Invasion der Humanoiden zu sagen hatte. Ein jüngerer Beamter in der Raumadmiralitätsbehörde schnitt ihm unfreundlich das Wort ab. Der Regent hatte vor solchen Gerüchten gewarnt, und in kritischen Zeiten wie diesen waren solche Reden eine Gefahr für das Schiff. Er weigerte sich, Keth weiter zuzuhören, und forderte ihn auf, das Gebäude zu verlassen.
    Cyra hatte ihm Greels Büroadresse im Brückenkomplex genannt, aber die Empfangsdame dort sagte, Greel sei nicht zugegen, sondern nähme an einer Sitzung außerhalb der Hauptstadt teil. In der Hauptverwaltung der Vorns sagte ihm ein Sicherheitsbeamter, alle leitenden Beamten der Flotte nähmen an einer Notsitzung außerhalb der Hauptstadt teil. Als er die Residenz des Regenten anrief, erklärte ihm ein Sekretär, der Regent befände sich nicht in der Hauptstadt.
    Niemand wollte ihm sagen, wo jene Sitzung stattfand und womit sie sich befaßte, aber dennoch beschlich ihn ein immer ausgeprägteres Gefühl der Erwartung. In jener Nacht hörte Keth in seinem Zimmer das Gerücht eines Holoreporters, daß der Regent der Brücke eine überraschende Mitteilung machen würde. Obwohl der Regent selbst nicht für nähere Auskünfte zur Verfügung stand, deuteten informierte Quellen an, daß eine zweite Zone auf Malili eröffnet werde, um einen fabelhaften Thoriumfund der Vorn in der nördlichen Halbkugel auszubeuten.
    Keth schüttelte darüber den Kopf. Brong hätte von einem solchen Fund sicher etwas gewußt. Er schaltete wieder probeweise den Tachyonenkompaß ein. Selbst in seinem Zimmer, viele Etagen unter der Erde, folgte die Nadel einem Punkt an der südlichen Mauer auf der Suche nach etwas, das zweifellos ein Humanoiden-Transportschiff war.
    Endlich fand er am nächsten Morgen Greel, der von jener geheimnisvollen Sitzung zurückgekehrt war. Der alternde Brückenmann war ungeduldig, korpulent, schwerhörig und mit einer lauten Stimme ausgestattet. Er empfing Keth mit finsterer Miene und ließ ihn vor einem riesigen Marmorschreibtisch stehen. „Sie sind also Kyrones Sohn?“
    „Ich habe Nachrichten für Sie, Sir. Dringende Nachrichten von ihm und Cyra Sair …“
    Greel hörte gar nicht hin, sondern drehte sich um, um in ein abgeschirmtes Holocom zu sprechen.
    Er begann erneut.
    „Mein Vater …“
    „Ich habe, offen gestanden, schon viel zuviel von Ihrem Vater gehört.“ Greel sah in unfreundlich an. „Ein Fanatiker, der unter Verfolgungswahn leidet. Möglicherweise ein Mörder. Ich war tolerant – viel zu tolerant –, weil ich Cyra vor langer Zeit kannte. Aber ihm gegenüber bin ich zu nichts verpflichtet und Ihnen gegenüber ganz bestimmt auch nicht, junger Mann. Die Brücke wird in Kürze zusammentreten, und ich habe keine Zeit …“
    „Sir, ein Tachyonentransportschiff vom Drachen ist im Orbit von Kai.“ Er hatte den Kompaß in seinem Koffer mitgebracht und trat jetzt damit vor. „Ich habe wissenschaftliches Beweismaterial …“
    „Regen Sie sich nicht auf, junger Mann!“ Greel machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich habe die Wahnvorstellungen Ihres Vaters oft genug gehört, wenn er immer wieder behauptet hat, die bösen Humanoiden seien im Begriff, über uns hereinzubrechen. Eine Wahnvorstellung, die so alt wie Kai ist.“
    „Cyra ist Wissenschaftlerin.“ Keth versuchte, den Ärger über die Arroganz des alten Mannes hinunterzuschlucken. „Sie hat das Humanoidenschiff mit Rhodoinstrumenten geortet und seine Flugbahn bestimmt. Ich kann es Ihnen zeigen, es ist jetzt im Orbit …“
    Greel blickte finster in sein Holocom.
    „Sir, hören Sie mir doch zu!“ Keth hob verzweifelt die Stimme. „Die Humanoiden haben die Kyrone in ihre Macht gebracht und die Fortune. Jetzt sind sie wieder da. Lassen Sie sich doch zeigen …“
    Greel gab ein spöttisches Gelächter von sich und sah ihn an.
    „Jetzt werden Sie sich wundern, junger Mann. Ich weiß nämlich etwas – etwas, was ich jetzt bekanntgeben darf. Es betrifft dieses Objekt im Orbit. Es ist die Fortune