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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Schlappohren und einer roten Schleife am Hals, den Maia mit nach Hause nahm.
    Sie gingen zum Tanzen ins Dorothy-Café , wo sich die Ladenmädchen mit den geschniegelten Bürojünglingen trafen. An schönen Tagen mieteten sie ein Boot und stakten auf dem Cam; wenn es draußen häßlich war, spielten sie »Mensch ärgere dich nicht« und »Halma« und rösteten Kastanien am offenen Feuer. Sie radelten nach Grantchester und tranken im Old Mill Tee mit dicker Sahne. Hugh brachte Maia das Angeln bei, und sie zeigte ihm eines Abends auf der Terrasse, schon recht beschwipst, Himmel und Hölle.
    Im Dezember fuhren sie ans Meer. In Aldeburgh war es eiskalt und windstill, das Meer war gläsern und grau. Sie machten einen langen Spaziergang am Strand und ließen flache Steine über das Wasser hüpfen. Sie hatten ein Picknick mitgenommen und setzten sich mit ihrem Korb auf eine Decke, die Maia auf den Kieselsteinen ausgebreitet hatte. Fischer glotzten sie an, und Möwen umkreisten sie in der Hoffnung auf Abfälle.
    »Sie halten uns für verrückt.« Maia wies mit einer Kopfbewegung auf die Fischer.
    Hugh lächelte. »Krabben?« Er reichte Maia das Glas.
    »Wir haben Riesenfortschritte gemacht, findest du nicht, Hugh?«
    »Wir haben aber auch hart daran gearbeitet, Spaß zu haben.« Seine Stimme hatte nur einen leicht spöttischen Unterton. »Wenn wir so weitermachen – sagen wir, vier, fünf Jahre noch –, werden wir Meister darin sein, das Leben auf die leichte Schulter zu nehmen.«
    Maia lachte. »Und die Firma würde Pleite machen.«
    »Maia!« sagte Hugh streng. »Du wirst ernst.«
    Nach dem Picknick marschierten sie durch die knirschenden Kiesel weiter nach Norden. Maia sammelte Muscheln und Tang und durchsuchte kleine Krebsskelette und dachte daran, daß sie so etwas zum erstenmal in ihrem Leben tat. In ihrer Kindheit hatte es solche Tage nicht gegeben. Robin war diejenige gewesen, die riesige Sammlungen aller möglichen Dinge angelegt hatte; Helen diejenige, die sentimentale Gedichte über Tage auf dem Land und Picknicks am Fluß geschrieben hatte. Sie wurde sich erst bewußt, daß sie geseufzt hatte, als Hugh sagte: »Was ist denn, Liebes? Du siehst ganz traurig aus. Ist dir kalt?«
    »Ein bißchen. Ich dachte gerade«, fügte sie hinzu, weil es ihr zur Gewohnheit geworden war, mit Hugh offener zu sein als mit jedem anderen Menschen, »daß ich so einen Tag eigentlich nie erlebt habe.«
    »Ich weiß.« Er sah zu ihr hinunter. »Wir sollten jetzt umkehren. Ich spendiere dir eine Tasse Tee in dem ulkigen kleinen Tea-Room, den wir vorhin gesehen haben. Da kannst du dich aufwärmen.«
    Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich, als sie ins Dorf zurückgingen. Und auf dem Weg wurden Maia mehrere Dinge zugleich bewußt: Vernon war ihr seit langer Zeit nicht mehr erschienen, nicht bei Tag und nicht bei Nacht. Hugh schien sie vor diesen Erscheinungen zu schützen. Und es war Wochen – Monate – her, seit sie einen dieser furchtbaren Briefe erhalten hatte. Vielleicht war dem Schreiber die eigene Bosheit langweilig geworden. Dank Hugh hatte sie es sogar geschafft, sich in ihrem Alkoholkonsum zu mäßigen. Sie – und die Firma – hatten die schlimmste Krise überwunden.
    Sie war sich auch bewußt, daß Hugh sie liebte und immer schon geliebt hatte. Sie war es gewöhnt, erwartete es, daß Männer sich in sie verliebten, aber sie begann zu begreifen, daß Hughs Liebe von anderer Qualität war. Sie fragte sich, ob sie seine Liebe würde ertragen können; und ob er stark genug war für diese Liebe. Sie hatte schließlich ein fatales Talent, die zu vernichten, die sie liebten. Und noch etwas wurde ihr bewußt – daß sie nichts gegen seine Berührung hatte. Sein Arm um ihre Schultern gab ihr ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Hugh war einer ihrer ältesten Freunde; sie spürte seinen anmutigen, langgliedrigen Körper gern an ihrer Seite. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Der Gedanke stieg in ihr auf, daß sie sich ändern könnte. Sie hatte ja in letzter Zeit schon begonnen, sich zu ändern: Sie hatte (der Gedanke überraschte sie) zu fühlen begonnen. Wenn sie endlich zu lieben gelernt hatte, würde sie – die kalte, steinerne Maia Merchant – dann Liebe auch ausdrücken können? Die Vorstellung machte ihr angst. Sie bekam auf einmal heftiges Herzklopfen, und ihre Hände in den weichen Lederhandschuhen wurden feucht.
    Aber als sie die Teestube erreichten, hatte sie ihren Mut wiedergefunden. Und als Hughs

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