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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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einmal begonnen hatte, den Besorgnissen Luft zu machen, die sie seit einem Jahr quälten, konnte Robin nicht aufhören zu sprechen. Die Worte sprangen ihr einfach über die Lippen, giftig und tödlich.
    »Nur richte ich mit meinen Fehlern nicht ganz soviel Schaden an wie du mit deinen, meinst du nicht auch, Maia? Wir möchten doch nicht, daß es Hugh genauso ergeht wie Vernon – daß er eine Treppe runtergestoßen wird und unten mit gespaltenem Schädel liegen bleibt.«
    Robin hörte, wie Merlin unterdrückt »um Gottes willen« sagte, und spürte, daß er ihr die Hand auf den Arm legte. Aber sie schüttelte ihn ab und sprang auf. Ihre Serviette fiel zu Boden, und ihr Stuhl kippte krachend um, als sie aus dem Zimmer stürzte.
    Maia sah, wie sie sie alle anstarrten, als sie aufstand. Mit kalten, entsetzten Blicken, die Löcher in ihre Haut zu brennen schienen. In der Eingangshalle nahm sie ihren Mantel und ihre Handtasche. Dann ging sie.
    Sie war erst ein kurzes Stück gefahren, als sie ihn sah. Hugh trat in die Mitte der Straße und zwang sie anzuhalten. Ihr fiel auf, daß sein Hinken, als er zu ihrem Wagen kam, besonders stark war. Welch ein Anachronismus er war: sein altmodischer Smoking, seine uralten, glänzend polierten Lederschuhe, seine Güte – alles aus einer anderen Ära.
    Sie öffnete die Wagentür, und er setzte sich neben sie. Sie fuhr wieder los. Das Herz hämmerte ihr gegen die Rippen, als sie die dunkle, gewundene Straße entlangfuhr. Sie waren vielleicht fünf Kilometer gefahren, als er ihre Hand faßte, die am Steuer lag, so daß der Wagen schlingerte und das Gras am Straßenrand streifte.
    »Halt hier an.«
    Maia lenkte den Wagen an die Seite und bremste ab. Stell den Motor ab.«
    Als der Motor schwieg, trat wieder Stille ein. Endlich sagte Hugh: »Ich verstehe das nicht, Maia. Ich finde, du solltest es mir erklären.«
    »Was denn? Das mit Helen?«
    »Sei nicht albern.« Nie hatte er so grob mit ihr gesprochen. »Den heutigen Abend. Die Dinge, die du gesagt hast.«
    Sie antwortete nicht, sondern suchte nervös in ihrer Tasche nach ihren Zigaretten.
    »Hast du das ernst gemeint?« fragte Hugh. »Das, was du über meine Familie gesagt hast?«
    Maia zündete sich die Zigarette an und lehnte sich zurück. Sie sah Hugh nicht an, sondern blickte durch die Windschutzscheibe hinaus. Mit einer Anstrengung raffte sie die letzten Reste ihres Muts zusammen. »Ja«, antwortete sie. »Ja, das habe ich ernst gemeint, Hugh.«
    »Du magst also Richard nicht – und Daisy – und Robin?«
    Sie erwiderte abwägend: »Nicht mögen ist vielleicht zu stark ausgedrückt. Sie langweilen mich. Ich meine, Richard und Daisy sind ja sehr lieb und wohlmeinend, da kann man einen Hauch Langeweile schon aushalten. Aber Robin ist unerträglich in ihrer Selbstgerechtigkeit.«
    Zorn und Gekränktheit spiegelten sich in seinen hellbraunen Augen. »Ich hatte keine Ahnung, daß du es so empfindest.«
    »Nein. Du setzt eure Überlegenheit automatisch voraus, die Überlegenheit der Familie Summerhayes. Weißt du, daß ich jedesmal, wenn ich euch besuche, das Gefühl habe, ich sollte meine ältesten Kleider anziehen? Damit ich mir meine guten Sachen nicht ruiniere, verstehst du. Das Tohuwabohu, das deine Eltern kultivieren, war vermutlich ganz amüsant, als sie noch jünger waren – die unmöglichen Dienstmädchen und die ewige Unordnung, in der man nie das findet, was man sucht –, aber mit der Zeit wird das ein bißchen ermüdend. Ich meine, letztlich bleibt Schlamperei doch Schlamperei.«
    Hugh antwortete nicht gleich. Sein Gesicht war bleich, und seine langen, knochigen Hände bewegten sich ruhelos.
    »Das war deiner unwürdig, Maia.«
    Da erst wandte sie sich ihm zu. Ihre Augen hatten einen harten Glanz. »Wenn du mich nicht so akzeptieren kannst, wie ich bin, Hugh, dann sollten wir uns vielleicht trennen.«
    Sie hörte, wie er nach Luft schnappte, und sah, wie sein Blick sich verschloß. Mit einer Geste, die ihr in den letzten Monaten so vertraut geworden war, strich er sich das nach vorn gefallene Haar aus der Stirn.
    »Möchtest du das?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    Maia begann an dem Ring an ihrem Finger zu ziehen. Er blieb am mittleren Gelenk hängen, und während sie noch riß und zog, hörte sie, wie die Wagentür geöffnet wurde.
    »Hugh –«
    »Ich gehe zu Fuß. Leb wohl, Maia.«
    Sie sah, wie er das Gesicht verzog, als er sein verletztes Bein ungelenk abbiegen mußte, um aussteigen zu können. Dann ging er die

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