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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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um die kleinen Leerstellen in eurem Leben zu füllen, geradeso wie ihr euch die neuesten Romane zulegt, um die kleine Leerstelle da im Regal zu füllen. Ihr habt mich in euren illustren Kreis aufgenommen, weil ich hübsch war, und Helen, weil sie brav und fügsam war. Und es war wahrscheinlich wahnsinnig amüsant, nicht wahr, daß Helens Vater Pfarrer war. Ihr habt geglaubt, ihr könntet sie ändern, ihr könntet einen Menschen eurer Art aus ihr machen, aber das habt ihr nicht geschafft, nicht wahr? Also habt ihr sie ein kleines bißchen Freiheit riechen lassen und sie dann in ihr Gefängnis zurückgeschickt.«
    Robin sagte heftig: »Das ist nicht wahr –«
    »Nein? Du weißt doch, daß Helen krank ist, nicht wahr, Robin? Oh – nicht Tb oder Influenza, kein Leiden, das man mit ein paar philanthropischen Schalen Suppe oder Tassen Tee heilen kann. Etwas, das man nicht recht fassen kann – etwas, das etwas mehr Bemühen verlangt.«
    »Helen war immer nervös«, sagte Daisy. »Ein bißchen verstiegen …«
    »Ja, natürlich.« Maias Stimme war schneidend. »Es ist ja so einfach, das Elend anderer abzutun, indem man ihm einfach ein Etikett aufklebt. Nerven – wie praktisch und bequem. Wann hast du Helen das letztemal besucht, Robin?«
    Die kalten blauen Augen fixierten sie. Robin zwang sich zu überlegen. Sie merkte, daß sie sich nicht erinnern konnte, wann sie Helen zuletzt gesehen hatte – gewiß doch im Sommer, aber nein, im Sommer war sie mit Joe zusammengewesen …
    »Helen scheint auf meine Gesellschaft keinen Wert mehr zulegen.« Robin hörte selbst, wie sehr das nach Ausrede klang. »Sie kommt nie mich besuchen.«
    Maia klappte ihr Zigarettenetui auf. »Ich nehme doch an, es stört niemanden … mit dem Essen sind wir ja wohl fertig …« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Helen fährt nicht nach London, weil Daddy es nicht erlaubt, und Helen kommt nicht hierher, weil sie einmal bis über beide Ohren in deinen geliebten Bruder verknallt war.«
    Robin hatte Maia solcher Scharfsichtigkeit nicht für fähig gehalten. Sie beobachtete sie wie hypnotisiert, während sie Rauch in die Luft blies.
    »Aber Helen würde sich natürlich in jeden halbwegs passablen Mann vergaffen, der ein freundliches Wort zu ihr sagt. Auch das ist Daddys Vermächtnis.«
    Hugh stand plötzlich auf und ging aus dem Zimmer. Robin hörte die Haustür krachend zufallen.
    Daisy sagte zaghaft: »Maia, du hast einen langen Tag hinter dir … die Fahrt nach London … Geh doch zu Hugh, hm?«
    Maia senkte den Kopf. Das schwarze Haar fiel ihr über die Augen. Dann richtete sie sich wieder auf und sagte: »Hast du dir mal überlegt, Daisy, wie sehr es Hugh haßt, ständig behütet zu werden? Daß es ihm ein Greuel ist, von dir und Richard wie ein Kind oder ein Schwachsinniger behandelt zu werden?«
    Daisy schnappte entsetzt nach Luft.
    »Du mißverstehst uns, Maia«, entgegnete Richard. »Und ich glaube, du mißverstehst auch Hugh.« Robin hatte selten soviel Kälte in der Stimme ihres Vaters gehört.
    Daisy sagte leise: »Wir würden alles tun, um Hugh glücklich zu machen …«
    »Wirklich?« Maia drückte ihre Zigarette aus. »Und doch habt ihr ihn sein ganzes Erwachsenenleben lang hier festgehalten, fest an euch gebunden. Glaubst du, das hat ihn glücklich gemacht?«
    Es war, dachte Robin, als legte Maia es bewußt darauf an, alles in den Schmutz zu ziehen, was ihrer Familie lieb und teuer war; als suchte sie systematisch, das feingewirkte, komplexe Geflecht ihres Lebens zu zerreißen, indem sie an der schwächsten Stelle angriff. Nur flüchtig kam Robin dazu, sich zu fragen, warum sie das tat; diese kalte, gnadenlose Stimme rührte all ihre Angst um Joe, ihre Befürchtungen für Hugh, ihre alten Fragen über Maias zweifelhafte Vergangenheit wieder auf, und ihre Beklemmung schlug in Wut um. »Und glaubst du, daß du Hugh glücklich machen kannst, Maia? Aber du bist ja Expertin, nicht wahr? Es wäre schließlich nicht dein erster Ausflug ins Eheglück.«
    Endlich konnte sie in diesen ausdruckslosen blauen Augen eine Regung von Gefühl sehen: Vorsicht. Furcht vielleicht.
    Sie hörte ihren Vater sagen: »Robin, das ist wirklich kein Thema für ein Tischgespräch. Deine Mutter ist müde …« Aber sie achtete gar nicht auf ihn.
    »Das scheint dir zur Gewohnheit zu werden, Maia. Männer zu heiraten, die du nicht liebst.«
    »Wir haben alle unsere Fehler, Darling.« Maias Stimme war leise und beherrscht.
    »Wie recht du hast.« Nun, da sie

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