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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Gewalt; auf der anderen ihr tiefer Wunsch, die Unschuldigen zu schützen. Wenn aber die Unschuldigen nur mit Gewalt geschützt werden konnten, mußte diese Erkenntnis dann den Überzeugungen, an denen die Familie Summerhayes seit Jahren festhielt, den Boden entziehen?
    Sie hörte Schritte auf dem Rasen. Daisy kam zum Winterhaus gelaufen. Ihre perlenbestickte Stola flatterte hinter ihr her.
    »Richard! Ich kann Hugh nicht finden. Ich dachte, er wäre in seinem Zimmer, aber da ist er nicht. Ich habe das ganze Haus und den Garten abgesucht. O Richard – ich habe Angst um ihn.«
    Hugh sei sicher mit Maia nach Hause gefahren oder mache einen Spaziergang. Er werde in ein oder zwei Stunden oder spätestens am Morgen zurück sein. Sie sagten alle das Naheliegende, Beruhigende, und doch war keiner beruhigt. Keiner ging zu Bett. Sie saßen in der Küche und lauschten auf die kleinsten Geräusche.
    Hugh kam nicht nach ein, zwei Stunden zurück. Er kam auch nicht am Morgen. Am Nachmittag gingen Merlin und Richard aus, um einen Spaziergang zu machen, sagten sie – Robin wußte, daß sie in den Bächen und Gräben suchen wollten. Daisy spülte ab und wischte alle Böden und polierte die Tische. Zum erstenmal kam Robin der Gedanke, daß Daisys Geschäftigkeit, diese energische Tüchtigkeit, die Robin immer so auf die Nerven fiel, nichts weiter war als ein Mittel, ihre Ängste in Schach zu halten. Wenn man den Boden nur energisch genug schrubbte, konnte man seine schlimmsten Ängste verdrängen.
    Sie erhielten Hughs Brief mit der zweiten Post am Montagvormittag. Daisy riß den Umschlag gleich in der Halle auf. Robin hörte ihren Entsetzensschrei.
    »Richard! O Richard. Das ist ja furchtbar! Hugh ist nach Spanien gegangen.«
    Als Susan Randall und die Kinder krank wurden, pflegte Helen sie. Sie blieb über Nacht in dem kleinen Bauernhaus und schrieb ihrem Vater, sie würde zurückkehren, sobald die Randalls sie nicht mehr brauchten.
    Noah und die Mädchen hatten die Influenza innerhalb einer Woche überwunden. Mrs. Randall und Michael husteten und fieberten nächtelang. Beunruhigt drückte Helen einem der Dorfjungen sechs Pence in die Hand und bat ihn, nach Burwell zu radeln und Dr. Lemon zu holen. Dann wartete sie ungeduldig und nervös, das Geräusch seines Bentley auf der holprigen Straße zu hören. Sie hatte Michael in eine Decke gehüllt auf dem Schoß. Sein blondes Haar war feucht und verklebt, und er atmete röchelnd.
    »Das ist die Luft in diesem Teil der Fens«, sagte Dr. Lemon, nachdem er Mutter und Sohn untersucht hatte. »Es ist zu feucht hier, verstehen Sie, Helen. Das ist nicht gut für die Lunge.«
    Sie sagte ängstlich: »Michael hat doch keine Lungenentzündung, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Geben Sie ihm Zitrone mit Honig zu trinken, und halten Sie ihn schön warm, dann wird er bald wieder auf dem Damm sein. Er ist ja ein kräftiger kleiner Bursche.«
    Helen neigte sich über Michaels heißes Gesichtchen, küßte den Kleinen und strahlte stolz.
    »Ich lasse Ihnen einen Hustensaft da. Die Mutter macht mir mehr Sorgen, um ehrlich zu sein. Das könnte ein Anflug von Tb sein. Können Sie mir sagen, wo ich Sam Randall finden kann? Ich würde gern mal mit ihm sprechen.«
    Sie erklärte ihm den Weg zum Schweinestall und legte Michael in sein Bettchen. Bevor Dr. Lemon hinausging, blieb er noch einmal stehen und sagte: »Und Sie selbst, Helen? Geht es Ihnen denn gut?«
    Helen sah ihn erstaunt an. »Sehr gut, Doktor.«
    »Sie sehen mir ein bißchen spitz aus. Und blaß. Haben Sie Husten, Helen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er ließ nicht locker. »Haben Sie Gewicht verloren?«
    Sie sah an sich hinunter. »Ich habe keine Ahnung. Ein bißchen vielleicht. Aber das täte mir ganz gut. Ich war immer so ein Kloß.«
    »Absolut ungesund, dieser moderne Schlankheitswahn. Kommen Sie zu mir in die Sprechstunde, Kind. Ich bin sicher, es gibt keinen Anlaß zur Beunruhigung, aber Vorsicht ist die beste Medizin.« Helen war verärgert und sagte nichts.
    Dr. Lemon fügte noch hinzu: »Also – übertreiben Sie es nicht«, dann ging er.
    Helen ging in die Küche, um Michael etwas zu trinken zu machen. Sie konnte Dr. Lemons plötzliche Besorgnis um ihr Wohlbefinden nicht verstehen, und sie dachte nicht daran, ihn aufzusuchen. Sie hatte sich in ihrem Leben selten besser gefühlt. Trotz einer Woche kurzer Nächte, in denen sie immer wieder aufgestanden war, um Michael zu versorgen, hatte sie das Gefühl, vor Energie fast zu

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