Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
kahlen Tische und Bänke einer staatlichen Anstalt. Sie wußte, daß es soweit mit Helen nicht kommen durfte. Sie versuchte ihren hektisch arbeitenden Verstand zu entspannen und in Ruhe nach einer Lösung zu suchen. Bisher war es ihr immer gelungen, selbst für die kniffligsten Probleme eine Lösung zu finden.
    Nach einer Weile nahm sie wahr, daß Adam Hayhoe neben ihr stand. »Adam«, sagte sie, »wie hieß das Baby noch mal? Wie hieß das Kind?«
    Mrs. Chapmans Haus war genauso verwahrlost, wie Maia es sich vorgestellt hatte. Eine Reihe schmutziger grauer Windeln – Alberts vermutlich – tropften an einem Wäscheständer, und obwohl es Mitte des Nachmittags war, standen auf dem Tisch noch Schalen mit verkrusteten Porridgeresten herum. Es roch nach sauer gewordener Milch und verfaulendem Gemüse.
    Mrs. Chapmans drei Töchter standen mit laufenden Nasen und offenen Mündern da und starrten Maia an.
    »Wenn Sie von diesem Schnüfflerverein kommen«, sagte Mrs. Chapman, die in einem Topf irgend etwas Graues, Unappetitliches umrührte, »kann ich Ihnen nur sagen, daß ich diesen faulen Hund seit drei Monaten nicht mehr gesehen habe.«
    Maia versetzte ruhig: »Ich komme nicht vom Sozialamt, Mrs. Chapman. Mein Name ist Maia Merchant. Ich bin eine Freundin von Helen Ferguson.«
    Mrs. Chapman hörte auf zu rühren. »Ganz schöne Nerven haben Sie.« Der Ton war sarkastisch, aber Maia bemerkte das Aufblitzen flüchtigen Interesses in den runden dunklen Augen.
    »Ich finde, wir sollten einmal miteinander sprechen, Mrs. Chapman.« Sie sah die drei kleinen Mädchen an. »Unter vier Augen, wenn es Ihnen paßt.«
    »Beryl, Ruby, Pearl, raus mit euch. Und daß ihr mir nicht vor dem Abendessen zurückkommt.«
    Die drei kleinen Mädchen liefen in den Nieselregen hinaus. Mrs. Chapman sah Maia an und sagte: »Nicht daß es was zu reden gäbe.«
    »O doch.« Maia nahm Zigarettenetui und Feuerzeug aus ihrer Handtasche. »Es gibt eine ganze Menge zu bereden. Zigarette, Mrs. Chapman?«
    Maia zündete beide Zigaretten an. Dann sagte sie: »Ich bin zu Ihnen gekommen, um Ihnen vorzuschlagen, daß Sie zur Polizei gehen und Ihre Anzeige gegen Helen zurückziehen.«
    Sie hörte, wie Mrs. Chapman nach Luft schnappte. Aber sie sah auch den kurzen berechnenden Blick. Sarah Chapman verschränkte die Arme auf der Brust.
    »Und warum sollte ich das tun? Nach der Angst, die ich um mein kleines Lämmchen ausgestanden habe.«
    Das kleine Lämmchen lag wieder im Kinderwagen draußen auf der Straße. Maia hörte sein Gebrüll.
    In entrüstetem Ton fuhr Mrs. Chapman fort: »Nur eine Mutter weiß, was ich durchgemacht habe.« Mit verächtlichem Blick musterte sie Maia in ihrem marineblauen Kostüm. »Haben Sie Kinder, Mrs. Merchant?«
    Maia antwortete kühl: »Ich habe ein Kaufhaus in Cambridge. Ich habe eine große Villa und ein Auto neuesten Modells. Ich mache Urlaub im Ausland, wann immer ich Lust dazu haben, und ich habe zwei Schränke voller Kleider. Ich trage nichts länger als sechs Monate. Außer meinen Pelzen natürlich. Pelz bekommt so eine schöne Patina.«
    Sie ließ Sarah Chapman nicht aus den Augen, während sie sprach. Hätte sie diesen Weg dem Anwalt vorgeschlagen, den sie für Helen engagiert hatte, er hätte ihr untersagt, ihn weiterzuverfolgen, das wußte sie. Bestechung und Rechtsbeugung. Sie sah, wie die dunklen Augen sich verengten, und wußte, insgeheim aufatmend, daß Mrs. Chapman sie verstanden hatte.
    »Nichts kann mich für das entschädigen, was ich durchgemacht habe«, erklärte Mrs. Chapman vielsagend und drückte ihre Zigarette auf dem Herd aus.
    »Ich will offen sprechen, Mrs. Chapman. Niemand hat etwas davon, wenn Miss Ferguson ins Gefängnis – oder eine Nervenheilanstalt – kommt. Aber genau das wird geschehen, wenn die Sache vor Gericht kommt. Sie sehen doch, nicht wahr, daß weder Miss Ferguson noch ich, noch Sie davon etwas hätten?«
    »Mich würd's überhaupt nicht stören, wenn diese dumme Kuh im Knast landet. Die hat mir einen Haufen Schwierigkeiten gemacht. Ich hab stundenlang die Polizei und den Kinderschutz hier gehabt. Gelöchert haben die mich mit ihren Fragen.«
    Maia lächelte. »Natürlich sollten Sie für die Unannehmlichkeiten, die Ihnen entstanden sind, entschädigt werden, Mrs. Chapman.«
    Der Kleine draußen im Kinderwagen schrie immer noch. Sarah Chapman sah Maia an, und in ihren Augen flammte Verachtung auf. »Ihr seid doch alle gleich, was? Bildet euch ein, daß mit Geld alles zu machen ist.

Weitere Kostenlose Bücher