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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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an der Jarama-Front warteten, von ihrem neuen Standort. Am 6. Juli kamen die ersten Verwundeten.
    Es war, dachte sie, noch schlimmer als am Jarama. Der gleiche schreckliche Tagesablauf: Aufnahme und Einteilung der Verwundeten, schneiden, nähen, verbinden, die Lampe halten, wenn Dr. Mackenzie mit peinlicher Sorgfalt Granatsplitter aus einem jungen, verwüsteten Körper entfernte. Dieselbe Verzweiflung über die Sinnlosigkeit, gepaart mit einer schleichenden Angst, die sie niemals losließ. Sie hatte Hugh verloren, und nun fürchtete sie, jeden Moment zu hören, daß sie auch Joe verloren hatte.
    Sie redete sich ein, wenn sie nicht an Joe denke, dann würde er vielleicht, vielleicht verschont werden. Dann würde der feindselige Gott, der sie beobachtete, sich vielleicht täuschen lassen und glauben, ihr läge nichts an Joe, und sie in Ruhe lassen. Sie verdrängte also alle Gedanken an Joe und Hugh und erlaubte sich einzig an ihre Arbeit zu denken. Als der Krankenträger ihr Joes Brief brachte, steckte sie ihn ein, weil ihr der Mut fehlte, ihn zu lesen. Später, als sie allein war, riß sie den Umschlag auf, und der Ring fiel ihr entgegen. Eine entsetzliche Gewißheit ergriff sie, daß Joe das Schicksal versucht, daß er sich auffällig gemacht habe. Sie steckte den Ring nicht an, sondern fädelte ihn auf ein Stück Schnur und trug ihn unter ihrer Tracht, so daß niemand ihn sehen konnte, um den Hals. Als sie am folgenden Morgen beim Verbinden war und plötzlich Neil Mackenzie an der Tür des Saals stehen sah, dessen Blick auf ihr ruhte, wollte sie nur weglaufen und sich verstecken, damit sie es nicht erfahren würde.
    Maia traf sich mit Adam in einem Pub am Ufer des Cam.
    Etwas zu trinken, Mrs. Merchant?«
    »Ich hätte gern einen Gin und Tonic, Mr. Hayhoe. Einen riesengroßen Gin und Tonic.«
    Maia setzte sich in den Garten, während Adam die Getränke holte. Boote glitten auf dem Fluß dahin und brachten die glatte Wasserfläche kaum in Wallung. Als Adam kam, nahm Maia das Glas, das er ihr gebracht hatte, und trank.
    »Ich habe heute nachmittag mit Mr. Hadley-Gore gesprochen.«
    »Und?«
    Sie sah seinen ängstlichen Blick. In dieser letzten schlimmen Woche hatte sie Adam Hayhoe schätzengelernt. Sie sagte unverblümt: »Er war nicht ermutigend.«
    Maia bot Adam ihr Zigarettenetui an. Der schüttelte den Kopf. Sie war nach London gefahren, um mit dem Anwalt zu sprechen, den sie für Helen engagiert hatte. Einen sehr berühmten und sehr teuren Anwalt.
    »Mr. Hadley-Gore hat Helen gestern im Gefängnis besucht. Er sagte mir, daß er es für unwahrscheinlich hält, daß sie einen Prozeß durchstehen wird. Anscheinend hat sie während des Gesprächs fast die ganze Zeit geweint.« Maia schnippte Asche ins Gras. »Der Säugling war zu Hause völlig vernachlässigt worden, verstehen Sie, Adam, und Helen hat ihn in den zwei Tagen oben auf dem Speicher sehr gut versorgt. Er hatte gehofft, Helen als eine Art Wohltäterin darzustellen – eine sozial eingestellte Seele –, die Tochter des Pastors, die stets für die Armen und die Schwachen da ist. Aber wenn sie beim Prozeß zusammenbricht …« Maia schüttelte den Kopf. »Und es ist keine Hilfe, daß ihr Vater sich weigert, für sie auszusagen.«
    Adam schnitt eine Grimasse. »Ich wollte mit ihm sprechen, aber er hat mich nicht einmal ins Haus gelassen.«
    »Alec Hadley-Gore hat ihm geschrieben. Mr. Fergusons größte Sorge ist offenbar die Schande, die Helen über die Familie gebracht hat. Mit anderen Worten, über ihren Vater.« Maias Ton war bissig. »Und das nennt man nun christliche Nächstenliebe. Was für ein Mensch.« Sie trank den Rest ihres Gins.
    Adam sagte freundlich: »Sie tun, was Sie können, Mrs. Merchant.«
    »Aber es ist nicht genug«, entgegnete sie niedergeschlagen. »Helen ist jetzt schon seit einer Woche in diesem entsetzlichen Gefängnis. Wir wissen doch beide, was mit ihr geschehen würde, wenn sie Jahre dort bleiben müßte. Und …«
    Sie konnte nicht weitersprechen. Sie konnte Adam Hayhoe, der Helen liebte, nicht sagen, was Alec Hadley-Gore ihr heute nachmittag erklärt hatte. Daß Helen, wenn sie verurteilt werden sollte, vielleicht nicht ins Gefängnis zurückgebracht werden, sondern statt dessen in eine Nervenheilanstalt gebracht werden würde. Maia zündete sich eine frische Zigarette an und stand auf. Sie ging zum Ende des Gartens, das an den Fluß grenzte. Statt des schimmernden Cam sah sie Reihen eiserner Betten, vergitterte Fenster, die

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