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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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errötete wieder, diesmal jedoch vor Vergnügen. »Ich komme gern, Geoffrey.«
    »Ich hole Sie mit dem Auto meines Vaters ab.«
    Sie spazierten zur Flußschleuse hinunter, um sich die Kaulquappen anzusehen. Muscheln schimmerten auf dem sandigen Grund des Flusses: große, flache Muscheln wie die rund um den Spiegel in Robins Winterhaus. »Süßwassermuscheln«, sagte Geoffrey. Auf dem Rückweg zu den Fahrrädern nahm er Helens Hand. Seine Finger waren weich, ohne Schwielen und warm. Helen vergaß ihre Hemmungen und ihre Größe, ihre Unwissenheit, ihre Schüchternheit im Umgang mit anderen Menschen.
    Eine Woche später war sie zum Tee bei den Lemons in Burwell. Sie kannte Mrs. Lemon schon als eine gesprächige, herzliche Frau. Das Gewimmel kleinerer Geschwister Geoffreys war zunächst verwirrend, aber sie war schnell bezaubert. Sie nahm den jüngsten Lemon, der gerade neun Monate alt war, auf ihren Schoß. Er roch nach Babypuder und Milch, und als sie seine Haut streichelte, war diese so weich wie Samt. Als er weinte, tröstete Helen ihn und war stolz und glücklich, als er auf ihrem Schoß einschlief.
    Auf der Heimfahrt versuchte sie sich vorzustellen, wie es wäre, die Frau eines Arztes zu sein. Sie sah sich in einem gemütlichen, unordentlichen Haus, stets von Kindern umgeben, ihren Mann, wenn er nach einem langen Tag müde nach Hause kam, mit einem Kuß empfangend. Als Geoffrey kurz vor dem Dorf den Wagen anhielt und der Kuß Wirklichkeit wurde, riß er sie in einen wunderbaren Aufruhr von Wonne und Hoffnung.
    In dieser Nacht lag Helen stundenlang wach. Es war zu heiß, zu stickig, um zu schlafen. Immer wieder gingen ihr die Ereignisse des Tages durch den Kopf: Geoffreys Kuß, der Ausdruck seiner Augen unmittelbar bevor er sie geküßt hatte. Sein schlaksiger, ausholender Gang, als er aus dem Wagen gestiegen und um ihn herumgekommen war, um ihr die Tür zu öffnen. Er hatte ihr die Hand gereicht. »Vorsicht, da ist eine Pfütze, Helen.« Er hatte sie wie etwas Kostbares und Zerbrechliches behandelt. Niemand außer ihrem Vater hatte sie je so behandelt.
    Als sie schließlich einschlief, saß sie wieder in Dr. Lemons Automobil, und sie sausten die Straße hinunter. Der Wagen hielt an, und Geoffrey beugte sich zu ihr herüber und küßte sie. Der Kuß erhitzte sie und weckte eine starke Sehnsucht in ihr, aber dann sah sie, daß nicht Geoffrey sich über sie beugte, sondern ihr Vater. Sie spürte die papierene Sprödigkeit seiner Lippen. Helen schreckte aus dem Schlaf auf und lag danach da mit aufgerissenen Augen und schlief nicht wieder ein.
    Am folgenden Nachmittag stand sie in der Küche und machte Biskuitkuchen und Scones. Das Kochen besorgte größtenteils Betty, aber mit dem Backen hatte sie es nicht so, darum übernahm Helen das meist an dem halben Tag, den das Mädchen frei hatte. Als es draußen läutete, hörte sie die Stimmen ihres Vaters und Geoffreys, aber der Biskuitteig befand sich gerade in einem kritischen Stadium, so daß sie nur einen Gruß rufen konnte, während sie schnell das Eigelb schlug. Eine Weile hörte sie gedämpftes Gemurmel, dann wurde die Haustür geöffnet und geschlossen, und kurz darauf wurde draußen ein Automobil angelassen. Plötzlich wie erstarrt, den Schneebesen reglos in der Hand, blickte Helen zur Küchentür. Ihr Herz begann heftig zu schlagen; sie konnte nicht glauben, daß er gegangen war. Die geschlagenen Eigelbe im heißen Wasserbad gerannen zu Rührei.
    Ihr Vater öffnete die Küchentür. »War das Geoffrey, Daddy?«
    »Heißt er so? Ja.« Sein Ton klang gleichgültig. »Er wollte dich doch tatsächlich ins Theater ausführen. Ich habe ihn natürlich weitergeschickt. Ist das wirklich in Ordnung, Hühnchen?«
    Sie begriff, daß er von ihrem Kuchenteig sprach, der völlig verunglückt war. Sie nahm die Schüssel und stellte sie auf den Tisch, verbrannte sich die Finger dabei. Mit zitternder Stimme sagte sie: »Ich muß noch mal von vorn anfangen.«
    Schweigen folgte. Dann erklärte Julius Ferguson: »Helen, ich habe Mr. Lemon gesagt, daß ich von Freundschaften zwischen jungen Mädchen und jungen Männern nichts halte. Ich habe ihm gesagt, daß du zu jung bist, um jemand anderem zu gehören als deinem Daddy.«
    Sie starrte ihn verwirrt an. »Aber Mami war doch auch erst achtzehn –«
    »Als wir geheiratet haben?« Julius Fergusons Gesicht war bitter. »Und meine arme geliebte Florence war erst neunzehn, als ich sie begraben habe.«
    Helens Gesicht brannte, und sie sah

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