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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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zwischen ihr und Daisy verschärft zu haben. Kritik und Mißbilligung machten Robin wütend, und sie ertappte sich dabei, daß sie in zunehmendem Maß ganz bewußt provozierte. Später, abends, wenn sie allein war, haßte sie sich dafür und faßte unzählige Vorsätze, geduldiger zu sein, weniger schwierig. Aber die guten Absichten hielten meistens nur bis zum Frühstück.
    Zur Krise kam es eines Tages beim Mittagessen, als Daisy meinte, Robin sollte doch Lehrerin werden wie Hugh. Aus der Diskussion wurde wie immer ein erbitterter Streit, der damit endete, daß Robin aus dem Haus stürmte. Selbst der lange Weg zum Bahnhof reichte nicht, um sich zu beruhigen. Sie hatte gerade genug Geld mit, um sich eine Rückfahrkarte nach Cambridge zu kaufen. Dort wanderte sie zunächst ziemlich ziellos herum und beschloß schließlich, da sie noch nicht nach Hause fahren wollte, aber nicht einmal die zwei Pence für eine Tasse Tee hatte, Maia zu besuchen. Sich der Schwierigkeiten erinnernd, die Maia durchgemacht hatte, fand sie es plötzlich herzlos von sich, daß sie so lange den Kontakt gemieden hatte. Wenn sie solche Abgründe erlebt hätte wie Maia, würde sie dann nicht vielleicht auch all die Dinge haben wollen, die Maia so begehrenswert erschienen?
    Robin läutete, und während sie wartete, beschloß sie, die Zähne zusammenzubeißen und alles zu bewundern, was Maia ihr vorführte. Sie fand das Haus immer noch abscheulich. Dunkel und massig mit dem Blick nach Norden, so daß kein Licht sich in den Fenstern zu spiegeln schien.
    Der hochnäsige Bedienstete, der ihr die Tür öffnete, teilte ihr mit, Mrs. Merchant sei nicht zu Hause. Halb erleichtert, halb enttäuscht ging Robin zur Straße zurück. Aber dann hörte sie in den Lorbeerbüschen auf der anderen Seite der Auffahrt ein Rascheln und drehte sich um.
    Ein kleiner schwarzweißer Hund jagte durch das dürre Laub unter den Büschen, und eine vertraute Stimme rief: »Teddy! Teddy – wo bist du?«
    Maia stand im dichten Schatten der Büsche. Robin sah, wie sie sich bückte und den kleinen Hund auf den Arm nahm.
    »Teddy – du frecher kleiner Kerl.«
    Robin sagte: »Maia?« Und Maia blickte erstaunt auf.
    »Euer Angestellter hat mir gesagt, du wärst nicht zu Hause.« Es war zu dunkel, um den Ausdruck auf Maias Gesicht zu erkennen. Robin trat näher. »Ich weiß, es ist ziemlich unverschämt, einfach so hereinzuplatzen, aber ich bin nicht oft –«
    Sie brach ab und starrte Maia an. Sie konnte gar nicht anders. Eine Hälfte von Maias Gesicht war über und über bedeckt mit Quetschungen und Blutergüssen; blau, violett und gelb zogen sie sich über ihre Wange und rund um ihr Auge.
    Maia sagte abwehrend: »Ich bin gestolpert und mit dem Gesicht auf dem Treppengeländer aufgeschlagen. Schön dumm, nicht?«
    Manche der Frauen in der Klinik gaben solche Erklärungen. »Ich hab mir den Kopf am Herd angeschlagen, Doktor.« – »Ich bin direkt in die Tür gelaufen, Schwester.« Andere Frauen versuchten längst nicht mehr, den Schein zu wahren, und sagten einfach: »Er schlägt immer zu, wenn er ein paar Bier intus hat. Die können gar nicht anders, nicht?«
    »Ist ja gar nicht wahr«, entgegnete Robin mit einer Stimme, die ihr selbst fremd erschien.
    »Was soll das heißen?«
    Sie holte tief Atem. »Maia – ich kann doch die Abdrücke seiner Finger sehen.«
    Es war wahr; wenn man genau hinsah, hatte die Verfärbung die Form eines fünfzackigen Sterns.
    »Quatsch.« Maia trat in die Schatten zurück. »Red keinen Blödsinn, Robin.« Ihre Stimme war wütend.
    »War das Vernon?«
    Maia drückte den Hund nur fester an sich. »Robin – hör auf!«
    Das Zwielicht lag grau über Haus und Garten, und die Fenster starrten sie an wie leere dunkle Augen. Robin wählte ihre Worte sorgfältig.
    »Ich werde nichts darüber sagen, wenn du es nicht willst, Maia. Aber glaubst du im Ernst, ich würde dich wegen so etwas verurteilen? Glaubst du, ich würde weniger von dir halten?«
    Etwas in Maia schien abzubröckeln, beinahe zusammenzubrechen. Ihre Schultern fielen herab, und sie schloß die Augen. Dann sagte sie sehr leise: »Ich verachte mich selbst, Robin. Das ist das Schlimmste daran. Das hat er geschafft.« Sie begann zum Haus zurückzugehen.
    In der Küche machte Maia Tee. Es sei der freie Nachmittag der Köchin, erklärte sie, und keines der beiden Küchenmädchen arbeitete den ganzen Tag. Der Hund fraß Kekse aus einem Napf, während das Wasser im Kessel zu sieden begann. Die Küche war

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