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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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»und den Zug verpaßt.« Mit einem flüchtigen Aufflackern ihres alten Feuers fügte sie hinzu: »Wenn du mir ein Automobil gekauft hättest … es ist lächerlich, daß ich keinen eigenen Wagen habe.«
    »Wenn du dein eigenes Automobil hättest, Maia, wie würde ich dann wissen, wo du bist?«
    Zum zweitenmal an diesem Tag schossen ihr Tränen in die Augen. Sie nickte schweigend. Sie hatte ihn verstanden. Sie war sein Besitz, ebenso wie dieses Haus, der Laden, ihr Schmuck.
    Er sagte leise: »Was glaubst du eigentlich, wie mir zumute war, als unsere Gäste eintrafen und ich nicht wußte, wo du warst?«
    Sie versetzte sarkastisch: »Hast du mich vermißt, Vernon?«
    »Ich nehme es dir übel, daß du mich gezwungen hast, meine Angestellten zu belügen.«
    »Dann hättest du ihnen die Wahrheit sagen sollen«, zischte sie, »daß ich einen Ausflug gemacht habe und es kaum ertragen konnte, zu dir zurückzukehren.«
    Sie rannte aus dem Salon in die Halle. Etwas in ihrem Inneren begann zu zerbrechen, und sie hatte vergessen, vorsichtig zu sein. Sie fühlte sich gefangen und ohne Hoffnung.
    Er holte sie ein, ehe sie halb die Treppe hinauf war. Sie wußte, daß er sehr betrunken war; seine rötlich braunen Augen blitzten, und er stolperte ein wenig, als er die Treppe hinauflief. Als er sie packte, erstarrte sie, wie gefroren von seiner Berührung. Es war ihr, dachte sie, von sich selbst angeekelt, zur zweiten Natur geworden, ihm zu gehorchen.
    Er sagte: »Ich habe dich gekauft, Maia.«
    Irgendwie raffte sie die letzten Reste ihres Muts zusammen. Sie mußte ihm begreiflich machen, was er ihr antat. Sie mußte ihm begreiflich machen, daß sie am Rand eines Abgrunds stand, eines Abgrunds, in den sie nicht hineinzublicken wagte.
    »Du wirst mir nicht wieder weh tun, Vernon.« Ihre Stimme war rauh. »Du wirst mich nicht wieder zwingen, diese Dinge zu tun.« Sie ging weiter, die Treppe hinauf, und umklammerte dabei das Geländer, als wäre sie eine Invalidin. Ihre hochhackigen Schuhe klapperten unregelmäßig auf dem gewachsten Holz.
    »Du wirst genau das tun, was ich dir sage, Maia.«
    Als sie den oberen Treppenpfosten erreichte, überfiel sie eine Welle des Hasses, der so intensiv war, daß sie einen Moment die Augen schließen mußte, um gegen den Schwindel anzukämpfen. Sie spürte, wie er sich an ihr vorbeidrängte. Bei der flüchtigen Berührung wurde sie sich wieder der Kraft seines Körpers und der Schwäche ihres eigenen bewußt. Erneut überwältigte sie der Abscheu vor sich selbst, vor ihrer feigen Ohnmacht, dieser Lähmung der Angst, in die er sie hineingetrieben hatte.
    »Nicht mehr, Vernon«,flüsterte sie. »Ich werde nicht –«
    Er stürzte sich auf sie, ganz überraschend, doch sie duckte sich instinktiv, und während sie sich an den Treppenpfosten drückte, erkannte sie, daß er schwerer betrunken sein mußte als sonst. Ein kleines Fünkchen Hoffnung regte sich in ihr. Die lodernde Wut in seinen Augen erkennend, begann sie, so schnell sie konnte, rückwärts die Treppe hinunterzusteigen, eine Stufe nach der anderen, ohne zu wagen, ihn aus den Augen zu lassen, wie gebannt von der Intensität seines Blicks. Stolpernd rannte er ihr nach, grapschte von neuem nach ihr, bekam eine Handvoll dunkelblauer Spitze zu fassen. Als Maia sich ihm entwand, sah sie unter sich die lange Treppenflucht, und plötzlich erwachte die Hoffnung, zeigte ihr zum erstenmal eine Möglichkeit der Freiheit.
    Am Neujahrstag reisten Robin und Joe zusammen nach Hause, während Francis mit Vivien auf dem Kontinent zurückblieb. Robin war hochzufrieden mit sich. Sie hatte innerhalb weniger Tage zwei der wichtigen Meilensteine im Leben einer Frau hinter sich gebracht. Sie hatte eine Auslandsreise gemacht und sie hatte ihre Unschuld verloren. Beides hatte sie von Herzen genossen. Sie hatte die Ankunft des neuen Jahres in einer kleinen Bar in Deauville gefeiert, bei schummriger Beleuchtung mit einer Menge ziemlich betrunkener Franzosen zusammengepfercht, Francis auf ihrer einen Seite, Joe auf ihrer anderen. Sie hatten auf den Weltfrieden getrunken.
    Joe brachte sie nach Hause. Als sie die Tür aufsperrte, erschien sogleich die jüngere Miss Turner, in heller Aufregung ein dünnes Blatt Papier schwenkend.
    »Miss Summerhayes! Schrecklich, daß Sie gerade weg waren … das hier kam vor einer Woche … so eine schwarze Aura …«
    Robin zitterten die Knie, als sie das Telegramm sah. Sie mußte sich auf der Treppe niedersetzen. Sie dachte an Stevie und

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