Das Winterhaus
wünschte sich, der Regen würde ewig anhalten und sie vom Rest der Welt abschneiden. Seine Lippen streichelten ihren Bauch, ihre Brüste. Sein Körper im Dämmerschein des Kaminfeuers war fest und muskulös. Als er schließlich die heiße, vor Verlangen schmerzende Stelle zwischen ihren Schenkeln küßte, stöhnte sie vor Wonne und gab sich ihm ganz hin.
Joe, der kurz vor Mitternacht wieder in Deauville ankam, erriet, was geschehen war, sobald er sie sah. Im ersten Moment traf es ihn wie ein Schlag: Für ihn war Robin immer jemand gewesen, der zu ihnen beiden gehörte. Ihr Gesicht war so glücklich, daß er innerlich stöhnte. Sie schwirrte geschäftig um ihn herum, sagte ihm, er solle seine nassen Sachen ausziehen und vor dem Feuer trocknen lassen, und machte ihm sogar eine Tasse klumpigen Kakao. Sie konnte überhaupt nicht kochen. Selbst Joe konnte besser kochen als Robin. An Francis gekuschelt, mit dem sie auf dem Sofa saß, fragte sie ihn, wie der Tag gewesen sei. Joe erzählte ihnen alles, was er herausgefunden hatte, insgesamt sehr wenig. Das hübsche Dienstmädchen im eleganten Haus hatte ihm gesagt, daß seine Großeltern tot seien und jetzt eine andere Familie in dem Haus lebe.
»Oh, Joe – das tut mir leid.«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe sie sowieso kaum gekannt. Und sie waren eigentlich ziemlich beängstigend.«
»Hast du noch andere Verwandte?« fragte Robin. »Tanten … Onkel … Vettern oder Cousinen?«
»Ich hatte eine Tante.«
Tante Claire war jünger, kleiner und rundlicher gewesen als seine Mutter. Sie und Joe hatten an regnerischen Tagen miteinander Bézique gespielt. Er würde sie irgendwann einmal besuchen.
Joe stand auf und sah Robin und Francis an.
»Ich nehme an, ich muß heute nacht nicht auf dem Sofa schlafen?«
Vernon überreichte Maia ihr Weihnachtsgeschenk zwei Tage früher. »Etwas Besonderes«, sagte er, als er ihr spät am Abend das Päckchen gab. »Die anderen Sachen bekommst du am Heiligen Abend.« Sie setzte sich auf die Bettkante, und ihre Hände zitterten, als sie das Paket öffnete. Es waren ein Korselett, ein ordinäres Ding aus schwarzem Satin und roten Bändern, und ein Paar gräßliche Netzstrümpfe. Sie hätte ihm beides am liebsten ins Gesicht geworfen, aber sie wagte es nicht. Statt dessen tat sie, was er ihr befahl, und legte die Sachen an. Als sie vor ihrem Toilettenspiegel saß, um ihr Gesicht so zu schminken, wie er es haben wollte, spürte sie die Tränen, die in ihren Augen brannten. Aber sie hielt sie zurück.
Als es vorbei war und sie wieder in der Dunkelheit lag, wußte sie, daß Robin recht gehabt hatte. Dies konnte sie nicht ertragen. Sie konnte es ertragen, wenn er sie schlug, aber dies konnte sie nicht ertragen. Langsam, unerbittlich machte er sie zu etwas anderem. Nicht zu jemand anderem, zu etwas anderem. Zu etwas, das er verachtete und dennoch brauchte. Sie hatte Angst, daß sie es eines Tages gar nicht mehr merken würde, daß es ihr gleichgültig sein würde. Daß sie, wenn er sie vergewaltigte, nur daliegen und an die Decke starren und an die Kleider denken würde, die sie sich kaufen wollte, oder an die Feste, die sie besuchen wollte. Dann hätte er sie zur Hure gemacht.
Am folgenden Morgen, gegen die Übelkeit ankämpfend, mit der sie immer häufiger auf die Geschehnisse der Nacht zuvor reagierte, wagte Maia nicht einmal eine Reisetasche mitzunehmen, als sie das Haus verließ. Sie steckte ein, was sie an Schmuck finden konnte, nicht viel, da Vernon ihren Schmuck stets im Safe einsperrte, zu dem nur er den Schlüssel hatte. Dem Butler sagte sie, sie wolle Einkäufe machen, doch den Taxifahrer bat sie, er solle sie zum Bahnhof bringen.
Auf der Fahrt nach London dachte Maia an alles, was sie wegzuwerfen im Begriff war, und fragte sich, wie sie es durchstehen sollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie, eine Frau, je imstande sein sollte, soviel Geld zu verdienen, wie Vernon verdiente. Vernon hatte sich sein Vermögen mit eigener Hände Arbeit erworben, doch selbst Vernon hatte mit einem kleinen Erbe seiner Mutter begonnen. Maia jedoch würde nichts haben. Als Hure würde sie wahrscheinlich ganz ordentlich verdienen, dachte Maia und kicherte hysterisch, und alle Fahrgäste in dem Erste-Klasse-Abteil starrten sie an.
Vom Bahnhof in der Liverpool Street fuhr sie mit einem Taxi zu der Pension, in der Robin wohnte. Ein Hausmädchen mit käsigem Gesicht führte sie in das enge kleine Vestibül und bat sie zu warten. Es roch nach
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